Viele Menschen klagen über unterschiedlichste Beschwerden unter der Diagnose „Arthrose“. Diese ist ein schleichender Verschleiß, der Schmerzen verursacht und die Beweglichkeit einschränkt, im Endstadium gar Instabilität und Sturzereignisse verursacht. Doch nicht immer ist eine Operation notwendig. Häufig kann eine konsequente konservative Therapie den Alltag deutlich erleichtern und Eingriffe lange hinauszögern. Dr. med. Tim Klopfer, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie spezieller Unfallchirurg mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Knie- und Hüftendoprothetik, beantwortet Fragen rund um die Therapie der Kniegelenksarthrose.
Was ist denn überhaupt Arthrose, bzw. ab wann können wir von einer Arthrose sprechen?
Dr. med. Tim Klopfer: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Viele Patienten kommen mit der Diagnose „Gonarthrose“ bereits in die Sprechstunde und erwarten die Vorbereitung zum künstlichen Kniegelenk. Häufig besteht hier aber eine deutliche Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Befund und Bericht. Wir haben in unserem Kniegelenk als Schutz und Gleitmittel unseren Gelenkknorpel, Meniskus und Gelenkflüssigkeit, sowie die Bänder die das Kniegelenk stabilisieren. Letztlich entwickelt sich eine Arthrose über die Jahre, das heißt es entstehen zuerst Meniskus- und Knorpelschäden, die teils Beschwerden verursachen können oder auch nicht. Die Schäden werden sodann zunehmend größer und breiten sich aus. Letztlich bleibt nur noch der frei liegende Knochen im Gelenk übrig. Bei weiterer Belastung kann auch zunehmend der Knochen verschleißen und wir gehen in eine Fehlstellung über (O-Bein- oder X-Bein-Stellung), bis hin zum Verlust der Bandstrukturen mit folgender Instabilität. Die Übergänge sind natürlich fließend und werden teils sehr unterschiedlich beurteilt.
Was können die Patienten denn aktiv dagegen tun?
Dr. med. Tim Klopfer: Im Vordergrund steht die Bewegung. Schonende Sportarten wie Radfahren, Schwimmen oder Nordic Walking, stärken die Muskulatur rund um das Knie und verbessern die Stabilität. Physiotherapeuten arbeiten zusätzlich mit gezielten Übungen, die die Beweglichkeit fördern und Schmerzen reduzieren. Regelmäßiges Training ist die wichtigste Maßnahme, um Arthrosebeschwerden zu kontrollieren. Ein weiterer Punkt ist das Körpergewicht. Schon die Reduktion weniger Kilos entlastet das Kniegelenk spürbar, da bei jedem Schritt ein Mehrfaches des Körpergewichts auf die Gelenkflächen einwirkt. Daher wird eine Kombination aus Ernährungsberatung und moderatem Training empfohlen. Heutzutage gibt es auch viele Sportgruppen, Adipositas-Zentren oder auch operative und medikamentöse Ansätze. Unterstützend können orthopädische Hilfsmittel eingesetzt werden. Bandagen geben dem Knie mehr Halt, während Einlagen oder Orthesen Fehlstellungen ausgleichen und den Druck auf das geschädigte Gelenkkompartiment reduzieren. Viele Betroffene berichten, dass sie dadurch im Alltag länger schmerzfrei laufen können. Bei stärkeren Beschwerden kommen Medikamente oder physikalische Maßnahmen wie Wärme, Kälte oder Elektrotherapie zum Einsatz.
Viele Patienten bevorzugen auch Kniegelenksspritzen anstelle der Operation, was halten sie davon?
Dr. med. Tim Klopfer: Die Spritzentherapie ist durchaus eine Option. Wie so oft, sollte sie aber mit Bedacht gewählt werden. Injektionen direkt in das Gelenk müssen unter sterilen Bedingungen erfolgen. Eine Infektion wäre für weitere Therapieformen fatal (wie z.B. die Kniegelenksprothese). Auch hier ist der Arthrose-Grad des Gelenks und das Verfahren selbst wieder ganz entscheidend. Handelt es sich um eine fulminante und aktivierte Arthrose, kann ggf. ein Kortison-Präparat einmalig angewendet werden, um den Entzündungskreislauf zu unterbinden. Mehrfache Injektionen mit Kortison sollten aber nicht durchgeführt werden. Hier zeigt sich in großen Studien ein deutlich erhöhtes Risiko für Sehnenrupturen und v.a. auch Verschleiß des noch vorhandenen Knorpels. Weit verbreitet und propagiert ist die Injektion von Hyaluronsäure. Hier sind die Studienergebnisse teils sehr durchwachsen, kann aber durchaus eine Option sein, wenn z.B. Schmerzmittel nicht vertragen werden oder eine Operation unbedingt vermieden werden soll. Ein Großteil der Patienten erreicht damit zumindest kurzzeitig eine Verbesserungstendenz. Die neusten Injektionstherapien sind die s.g. PRP-Injektionen (= engl. Platelet-Rich Plasma: plättchenreiches Plasma oder Thrombozyten-reiches Plasma, oft auch Eigenblut-, ACP- oder Stammzellen-Injektionen genannt). Hierbei wird körpereigenes Blut in der Praxis entnommen, in der Zentrifuge getrennt und nur das plättchenreiche Plasma für die Injektion entnommen. Dieses enthält nachweislich viele Wachstumsfaktoren und Immunmodulatoren welche Entzündungen dämpfen, Knorpelzellen zur Regeneration anregen können als auch Schmerzen reduzieren und die Durchblutung steigern können. Zur Anwendung kommt diese Form der Injektion von kleinen Knorpeldefekten bis hin zur mittelschweren Arthrose.
Was dürfen die Patienten von der Spritzentherapie erwarten?
Dr. med. Tim Klopfer: Gerade bei der PRP-Therapie haben wir sehr gute Erfolgsquoten. Zumindest kurz- bis mittelfristig liegt diese bei ca. 60-80% in Studien. Bei schwerer Arthrose kann ggf. eine diskrete Schmerzlinderung erreicht werden, die Erfolgsquote sinkt aber bereits unter 40% und ist damit nicht mehr bei jedem eine Empfehlung. Leider werden die Kosten für Injektionstherapien zumeist von den gesetzlichen Krankenkassen noch nicht übernommen und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Viele Patienten schaffen es mit einer gut abgestimmten Kombination dieser Maßnahmen wieder mobiler zu werden und Schmerzen wirksam zu reduzieren – ganz ohne Operation. Entscheidend ist, frühzeitig aktiv zu werden und die Therapie konsequent umzusetzen.