Das Oberlandesgericht Naumburg hatte nachstehenden Fall zu entscheiden (Beschluss vom 13.3.2024, Aktenzeichen: 4 UF 62/23):
Die Eltern der vierjährigen Zwillinge sind seit 2021 getrennt. Beide Kinder leben seitdem bei der Mutter, der Vater begehrt ein regelmäßiges Umgangsrecht, das auch Übernachtungen umfasst, während die Mutter dies mit Verweis auf angebliche Alkohol- und Drogenabhängigkeit des Vaters ablehnt. Die Mutter behauptet, der Vater sei psychisch instabil und nicht bindungstolerant.
Ursprünglich beantragte der Vater die Regelung eines periodischen Umgangs, später ein Wechselmodell, und führte aus, dass vor der Trennung ein intaktes Verhältnis zu den Kindern bestand. Er beurteilt die Ablehnung der Übernachtungen als unberechtigt und betont, dass keine Abhängigkeit vorliege. Der Mutter wirft er vor, den Umgang zunehmend erschwert und schließlich untersagt zu haben. Im Gegenzug argumentiert die Mutter, der Vater habe ein Suchtproblem, weshalb ein Übernachtungsumgang gegen das Kindeswohl verstoße.
Ein erster Beschluss des Familiengerichts von Februar 2022 legte den Umgang ohne Übernachtungen fest, was anschließend von beiden Elternteilen angefochten wurde. Das Oberlandesgericht (Senat) hob die Entscheidung daraufhin am 12. Mai 2022 auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung zurück an das Familiengericht. Ein gerichtliches Gutachten des Sachverständigen im Mai 2023 ergab, dass der Vater gelegentlich erhöhte Alkoholmengen konsumiert, jedoch keine illegalen Drogen. Am 30. August 2023 legte das Amtsgericht eine neue Umgangsregelung fest, die wöchentlichen Umgang ohne Übernachtungen sowie an Feiertagen Umgang von 9-18.30 Uhr umfasste. Vater und Verfahrensbeistand legten dagegen Beschwerde ein, mit der Begründung, dass der Beschluss dem Kindeswohl nicht hinreichend Rechnung trage. Das Jugendamt und der Verfahrensbeistand hatten sich ausdrücklich für ausgedehntere Umgangsseiten einschließlich Übernachtungen ausgesprochen. Der Vater betonte, das Gutachten belege, dass keine Anzeichen für Betäubungsmittelmissbrauch vorlägen und der Alkoholkonsum seine Eignung als Betreuer der Kinder nicht beeinträchtige.
Im März 2024 dann die Entscheidung des Senats: der Ausschluss von Übernachtungen halte verfassungsrechtlichen und sonstigen rechtlichen Maßstäbe nicht stand. Es sei keine Gefahr für das Kindeswohl erkennbar, die die Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters rechtfertigen würde. Die verfassungsrechtliche Vorgabe aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht des Vaters auf Umgang mit seinen Kindern, und die Eltern müssen eine gemeinsame Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder wahrnehmen. Diese Rechtsposition wird durch § 1684 Abs. 1 BGB konkretisiert, wonach das Kind ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil hat. Der Senat betont, dass Übernachtungskontakte im Interesse einer engen Bindung der Kinder an beide Elternteile als besonders förderlich angesehen werden. Es gab im konkreten Fall keinen Grund, der die Eignung des Vaters für die Übernachtungsbetreuung infrage stellte. Die Befunde über gelegentlich erhöhten Alkoholkonsum alleine reichten nicht aus, um eine Einschränkung des Umgangs zu rechtfertigen, zumal der Vater sich verpflichtete, während der Umgangszeiten keinen Alkohol zu konsumieren.
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Dr. Claudia Erk
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht, Mediatorin
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