Veröffentlicht am 17.11.2019 10:00
Veröffentlicht am 17.11.2019 10:00

Kleine Kämpfer ganz groß

Susann und Sebastian Morgenstern mit ihrem Sohn Frederic. (Foto: Gabrielle Munzert)
Susann und Sebastian Morgenstern mit ihrem Sohn Frederic. (Foto: Gabrielle Munzert)
Susann und Sebastian Morgenstern mit ihrem Sohn Frederic. (Foto: Gabrielle Munzert)
Susann und Sebastian Morgenstern mit ihrem Sohn Frederic. (Foto: Gabrielle Munzert)
Susann und Sebastian Morgenstern mit ihrem Sohn Frederic. (Foto: Gabrielle Munzert)

BAYREUTH.

Pro Jahr werden in Deutschland rund 63.000 Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren und gelten somit als Frühgeburt. Bei 8.000 davon handelt es sich um Frühstgeborene, die sogar vor der 30. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen.

Am 28. Februar 2018 um 17.15 Uhr kam der kleine Frederic mit 1620 g und 39 cm durch einen Kaiserschnitt in der 33. Schwangerschaftswoche zur Welt.

Heute spielt er mit seinen Feuerwehrautos, läuft durch den ganzen Raum und genießt einen Keks nach dem anderen.

In der 20. Woche wurde beim Organscreening festgestellt, dass zu wenig Fruchtwasser für die gesunde Entwicklung des Kindes vorhanden war und dass Frederic so nicht überleben würde. Ein Abbruch wurde den Eltern nahegelegt. Susann und Sebastian Morgenstern (34 und 35 Jahre alt) entschieden sich gegen einen Abbruch und für ihr Kind. Susann Morgenstern nahm zu diesem Zeitpunkt rezeptpflichtige Medikamente, die toxisch auf ihr Kind wirkten, das Fruchtwasser verringerten und den Rückfluss in der Nabelschnur verursachten. Das Baby im Mutterleib wurde nicht mehr richtig versorgt und war bereits zwei Wochen in seiner Entwicklung zurück.

Durch diese Komplikationen wurde die werdende Mutter stationär im Bayreuther Klinikum aufgenommen. „Es ist einfach nur grausam. Man hat seinen größten Wunsch, ein Kind, zum Greifen nah und muss fürchten, dass wieder alles genommen wird,“ erzählt die Mutter, „im Klinikum selbst allerdings fühlte ich mich die gesamte Zeit über sehr gut aufgehoben. Die Schwestern und Ärzte haben sich rund um die Uhr um mich und mein Kind gekümmert.“

Nach dem Kaiserschnitt wurde Frederic, dessen Entwicklung zu dem Zeitpunkt zirka bis zur 28. Woche ausgebildet war, direkt auf die Intensivstation verlegt, wie es bei allen Frühchen der Fall ist. „Mein Kind durfte ich das erste Mal so richtig nach 11 Stunden sehen. Um mein Kind zu ernähren, musste ich die Milch abpumpen. Die Stillbeziehung wurde auf der Frühchenstation leider eher weniger unterstützt. Die Möglichkeit in der Zeit eine enge Bindung zu meinem Kind aufzubauen, war zu der Zeit kaum möglich und ich habe lange gebraucht, dass meinen Sohn emotional tatsächlich anzunehmen. Auf der Frühchenstation liegen die Babys zusammen in einem Raum. Wenn man dort stillt, fehlt jede Privatsphäre, weil die anderen Eltern ja auch im Raum sind. Alle Neugeborenen sind an Monitore angeschlossen. Frederic wurde jedes Mal total unruhig, wenn der Monitor eines anderen Babys Geräusche gemacht hat. Es müsste für solche Situationen mehr Ruhe für die Familie geben“, so die Mutter.

Fünf Tage nach der Geburt wurde Susann Morgenstern aus dem Krankenhaus entlassen, Frederic musste insgesamt vier Wochen im Krankenhaus bleiben, bis seine Eltern ihn mit nach Hause nehmen durften.

„Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir in dieser schweren Zeit erhalten haben. Unsere Hebamme und Freunde haben uns sehr zu Seite gestanden, genauso wie der Bunte Kreis, eine Hilfsorganisation, die sich um die Eltern und Geschwister von Frühgeborenen und chronisch oder schwer kranken Kindern kümmert. Ich kann nur jedem empfehlen dieses Angebot anzunehmen.“

„Das Erlebte hat uns sehr stark geprägt“, erzählt Sebastian Morgenstern, „ich musste psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Man plant und überlegt die Zukunft mit seinem Kind und dann kommt alles anders als gedacht. Das ist für die Psyche nur schwer zu verarbeiten. Eine Frühgeburt kann viele Spätfolgen für das Kind bedeuten, wie zum Beispiel Hörschäden oder Nierenschäden. Man stellt sich immer wieder die Frage ‚Warum wir?‘ – aber es gibt keine Antworten“.

Bemerkungen wie „der ist aber klein für sein Alter” belasteten die Eltern und riefen Schuldgefühle hervor. Bei den Früherkennungsuntersuchungen, den sogenannten U-Untersuchungen, sind die Ansprüche an ein früh geborenes Kind gleichgesetzt mit einem normal geborenen. „Frederic hat bei keiner Untersuchung die Ziele erreicht, wie auch”, sagt Susann Morgenstern. „Entsprechende Einträge in die U-Bücher begleiten ihn nun leider sehr lange”.

Die Gesellschaft müsse mehr über die Probleme mit früh geborenen Kindern sensibilisiert werden, fordern die Eltern. „Für Frühchen gibt es keine passenden Windeln, auch die Nahrung ist kaum auf die Bedürfnisse abgestimmt, Informationen über passende Produkte sind kaum zu finden”. Das gelte auch für Spielgruppen, so die Sebastian Morgenstern. Ein spezielles Angebot für Kinder, die in der Entwicklung hinterher sind, fänden wir gut, damit der ständige Leistungsvergleich, für Eltern nicht noch zusätzlich belastend ist”.

„In der Gesellschaft werden eben hauptsächlich gesunde Kinder akzeptiert”, bedauert Sebastian Morgenstern.

Im Allgemeinen hätte es das Schicksal aber gut gemeint und die Morgensterns sind heute überglücklich, dass Frederic sich so gut entwickelt. Aus Dankbarkeit engagiert sich Sebastian Morgenstern mittlerweile selber sehr stark im Bunten Kreis und ist dem Förderverein beigetreten.


Von Jessica Mohr
jm
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