Veröffentlicht am 03.08.2025 08:38

„Ich will unterhalten. Natürlich.“

Matthias Davids, der Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele. (Foto: Hermann Wakolbinger )
Matthias Davids, der Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele. (Foto: Hermann Wakolbinger )
Matthias Davids, der Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele. (Foto: Hermann Wakolbinger )
Matthias Davids, der Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele. (Foto: Hermann Wakolbinger )
Matthias Davids, der Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele. (Foto: Hermann Wakolbinger )

Es ist ein Interview quasi auf der Zielgeraden. Denn für Matthias Davids, den Regisseur der neuen „Meistersinger“-Produktion der Bayreuther Festspiele, stehen gerade noch zwei Proben an, Haupt- und Generalprobe. Und damit kaum noch Möglichkeiten für Korrekturen. Davids sieht das gelassen, man sei ja eigentlich nie fertig, meint er und lacht. Da spricht ein erfahrener Musiktheatermann und Pragmatiker, hat man den Eindruck.

Ihre Arbeit in Bayreuth ist fast getan. Ihre „Meistersinger“ stehen kurz vor der Premiere. Wie sind Sie denn mit der Probenzeit hier zurechtgekommen? Die ist ja eher knapp bemessen?
Ja, das ist wirklich sportlich. Ich glaube, man schafft es nur, wenn man wirklich gut vorbereitet ist. Was allerdings auch bedeutet, dass man eigentlich kaum Zeit für Experimente hat, also nur wenig ausprobieren kann. Auf der anderen Seite – und das ist der Vorteil – heißt das aber auch, dass hier mit Probentag 1 die Sänger perfekt studiert starten, man verliert hier also keine Zeit mit Rollenstudium. Das kommt vielleicht später, wenn es darum geht, die schauspielerische Arbeit in die Gesangspartie zu integrieren. Ansonsten muss man hier schnell sein. Klare, kurze und vor allem präzise Anweisungen, wenig Nebensätze. Aber die Sängerinnen und Sänger hier bewegen sich auf sehr hohem Niveau und sind das gewohnt.

Im Landestheater Linz tragen Sie die Verantwortung für die Sparte Musical. Wenn Sie Ihre Arbeit in Linz mit der Arbeit hier vergleichen, was ist hier anders?
Von der Herangehensweise, also dem Probenprozess her, gibt es da eigentlich keine Unterschiede. Was hier anders ist, ist diese Spezialisierung auf Wagner, den hört man hier überall. Das hat so etwas von Campusfeeling, was ich ganz schön finde. Das ist wie ein Meet and Greet der besten Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker im deutschsprachigen Raum. Anders ist natürlich auch, dass wir in Linz ein Fünf-Sparten-Haus haben mit rund 40 Produktionen im Jahr – das kommt schon einer Theaterfabrik nahe. Und das ist hier natürlich anders.

Sind sie hier mit einem im Detail ausgearbeiteten Konzept angetreten?
Ja. Muss ja. Das Konzept muss abgesprochen, muss präsentiert, muss abgenommen werden. Wobei es schon so ist, dass man in den Proben noch neue Dinge entdeckt, zumal man dann die Charaktere der Sängerinnen und Sänger vor sich hat. Und die kannte ich ja nur teilweise. Weshalb ich natürlich bereit war, Figuren zu revidieren, zu verändern, etwa weil jemand mehr Komik mitbringt, als ich zunächst dachte. Also, da muss man, Konzept hin oder her, auch flexibel sein.

Stichwort Komik: Wie stehen Sie denn zum Begriff „Unterhaltung“ in Bezug auf Ihre Inszenierung?
Ich will unterhalten. Natürlich. Und das wollte ja auch Wagner – ein Lustspiel schreiben und endlich Geld verdienen. Und er hat ja auch viel Energie investiert, „drollige Figuren“, wie er sie nannte, zu entwerfen. Wie er im Übrigen auch der Meinung war, dass diese Oper überall und leicht zu inszenieren sei. Nun kann man sich natürlich streiten, ob man einen vier Stunden langen Witz erzählen kann, aber zu einer guten Komödie gehören auch ernste, melancholische oder dramatische Momente, sonst funktioniert die Komik nicht. Das findet man hier. Leichtigkeit ist im Zusammenhang mit den Meistersingern für mich ein wichtiger Begriff. Und der ist hier auch gut zu greifen. Etwa im zweiten Akt, wenn Eva und Walther durch die Gasse fliehen wollen und sich ihnen quasi überall jemand in den Weg stellt. Das ist pure Komödie, und die macht Spaß.

Das klingt jetzt fast so, als hätten Sie Blut geleckt. Haben Sie eigentlich jemals daran gedacht, Wagner zu inszenieren?
Sie werden lachen – ja. Den fliegenden Holländer. Den fand ich spannend für mich. Und als Musiker – ich habe als Hornist angefangen – bin ich natürlich mit dem Komponisten Wagner in Berührung gekommen. Aber Wagner inszenieren? – Ich habe mir immer gesagt, kein Stück länger als drei Stunden und die Vorstellung, hier in den Endproben über sechs Stunden lang – mit Pausen – sitzen zu müssen, war für mich zunächst undenkbar. Aber das muss ich jetzt revidieren. Diese Stunden kommen mir gar nicht mehr lang vor. Was natürlich auch an den fantastischen Sängerinnen und Sängern liegt, die zugleich wundervoll schauspielern. Das ist wirklich eine Freude. Das hat man nicht immer.

Ihr Fokus liegt also auf dem Spiel?
Ja, das kann man so sagen. Natürlich sollen die Sängerinnen und Sänger auch strahlen und ich weiß, dass manchen Menschen vor allem wichtig ist, dass die Regie die Musik nicht stört. Aber mir geht es darum, dass man die Geschichte an sich versteht, die Beweggründe der einzelnen Figuren, ihre Befindlichkeiten. Und das auch dann, wenn vielleicht nicht jedes Wort im Gesang zu verstehen ist. Die Sängerinnen und Sänger sollen sich auf der Bühne heutig bewegen, sie sollen wie ganz normale Menschen agieren. Also keine Klapparme, keine sinnentleerten Gesten. Das Publikum soll sich mit diesen Figuren, diesen Charakteren identifizieren können. Deshalb habe diese Geschichte auch in ein abstraktes heute verlegt.

Was nehmen Sie denn aus ihrer Arbeit im Festspielhaus Bayreuth mit nach Hause?
Nun, ich nehme für mich mit, ein bisschen mehr über dieses Hochleistungssingen, was bei Wagner gefordert ist, gelernt zu haben. Und wie man damit arbeitet und was man von Sängerinnen und Sängern einfordern kann, die solch schwere Partien singen wie etwa die des Hans Sachs. Wenn der am Ende noch sein „Habt acht“ singt, dann ist der fertig, am Ende. Davor habe ich höchsten Respekt. Und trotzdem muss ich als Regisseur verlangen, dass er auf der Bühne agiert. Weil wir hier eine Geschichte erzählen, und die braucht den ganzen Körper und nicht nur die Stimme. Was schwierig ist, weil die Sängerinnen und Sänger hier unglaubliche Strecken bewältigen müssen und wir zugleich ein ganz anderes Tempogefühl als zu Wagners Zeiten haben. Wir langweilen uns heute viel schneller, die Geschichte braucht daher ein anderes Erzähltempo, damit wir uns darauf einlassen.


Von Gordian Beck
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