Wagner ist ihr Stern derzeit. Für Wagner brennt sie: Alexandra Ionis. In Bayreuth ist die in Berlin lebende Mezzosopranistin im zweiten Jahr im „Ring des Nibelungen“ zu erleben; als Siegrune in der „Walküre“, als zweite Norn in der „Götterdämmerung“. Und darüber hinaus auch als Venus in der Kinderoper.
Der „Ring“ geht ja nun schon in sein drittes Jahr, Sie sind als Siegrune beziehungsweise Norn im zweiten Jahr mit dabei. Hat sich etwas in der Inszenierung für Sie geändert?
Bayreuth hat ja ein Werkstattkonzept. Da wird natürlich weitergearbeitet. Für mich persönlich bleibt es, glaube ich, bei dem, was ich bereits im letzten Jahr kennenlernen durfte. Trotzdem, die Zeit hier ist gut gefüllt mit szenischen und musikalischen Proben.
Der „Ring“ wird in diesem Jahr „nur“ zweimal gegeben, bleiben Sie die Festspielzeit über in Bayreuth?
Tatsächlich ja. Mit einer ganz kurzen Unterbrechung, da bin ich zuhause, in Berlin.
Sie wohnen in Berlin, sind aber festes Ensemble-Mitglied am Theater Bielefeld.
Ja. Ich bin viel unterwegs. Tatsächlich habe ich zwei Basis-Stationen. Berlin und Bielefeld. Gefühlt vielleicht sogar drei – mit Bayreuth. Darf man das sagen?
Warum nicht? Sie sind ja nun schon das zweite Jahr hier in Bayreuth in diesem Haus.
Ein Haus mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Einer magischen Atmosphäre.
Wie haben Sie das damals erlebt, als Sie zum ersten Mal hier auf der Bühne standen?
Ich war überwältigt, ich habe geweint. Das waren Tränen des Glücks, pures Glück, aber auch der Demut, hier auf dieser magischen, dieser für mich fast schon heiligen Bühne stehen zu dürfen. 2018 war ich hier zum ersten Mal, als Stipendiatin und durfte mir Aufführungen anschauen; ich habe Wagner in Berlin an der Staatsoper, in Italien – in Bari und Neapel – sowie in Sydney gesungen, aber dass ich nun hier singen darf, das ist ein Traum, den ich nie zu träumen gewagt habe.
Wie sind Sie eigentlich mit Wagner in Berührung gekommen?
Ich habe mit Klavier angefangen, war Jungstudentin an der Universität der Künste in Berlin und habe das für eine jüngere Person auch durchaus professionell betrieben. In meiner Abiturzeit wurde uns dann im Musikunterricht Wagners „Ring des Nibelungen“ vorgestellt. Und das weiß ich noch wie heute – als unser Lehrer uns damals den Beginn des „Rheingolds“ vorgeführt hat, da hatte ich Gänsehaut, Tränen in den Augen, mein Körper war Elektrizität. Da muss ich 17 Jahre alt gewesen sein.
Ihr Weg von Klavier zu Gesang, finde ich, ist ungewöhnlich...
Klavier war nie mein Medium. Ich konnte es gut spielen, weil ich Musikerin bin.
Und wie haben Sie den Gesang für sich entdeckt?
Da gab es zwei Schlüsselmomente, fast zeitgleich. Zum einen war ich als Pianistin für den Wettbewerb „Jugend musiziert“ einem Bariton zugeteilt, Duo Kunstlied. Wir haben es bis in den Bundeswettbewerb geschafft und dort einen ersten Preis gewonnen. Das war eine großartige Erfahrung. Und damals habe ich mir gedacht, während ich an den Tasten saß, eigentlich möchte ich das, was er macht, auch machen. Zum anderen hatten wir fast parallel dazu, von der Schule aus, ein dreiwöchiges Betriebspraktikum zu absolvieren. Ich war bei einem Tierarzt, eine Freundin in der Deutschen Oper. Und über diese Freundin habe ich eine Freikarte für die „Tote Stadt“ bekommen (Oper in drei Bildern von Erich Korngold, Anm. d. Red.) mit Christian Thielemann am Pult. Stephen Gould hat gesungen – von dem hatte ich damals noch nie gehört – und ich saß da und wollte nur noch ein Teil dieses Kosmos sein. Das war Magie. Ich habe das dann meinem Gesangspartner erzählt, woraufhin der mich eingeladen hat, seinem Lehrer, einem Professor an der Universität der Künste Berlin, vorzusingen. Das habe ich gemacht, der hat sich das angehört und mich ermuntert, weiterzumachen. Ich habe mir dann, neben der Schule, mit Nebenjobs Gesangsstunden finanziert. Das war wie ein Sog, ich musste das machen. Und da war noch gar nicht von Beruf die Rede, es ging nur um das Singen selbst.
Und dann kam die Hochschule?
Ich habe mir nach dem Abitur ein Jahr Zeit genommen, mich auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet und bin an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar genommen worden. Ich habe dort eine wunderbare erste Zeit verbracht, bin dann nach Mailand gegangen, um die italienische Tradition, Musik und Sprache zu lernen.
Wie passt da Wagner hinein?
Das Erlebnis mit „Rheingold“ hat mich nie losgelassen. Das war etwas, da wollte ich hin. Wobei man natürlich nicht sagen kann, ich werde irgendwann einmal Wagner singen. Aber die größte Anziehungskraft habe ich eben dort verspürt, bei Wagners Musik.
Wenn man ihre Vita studiert, fällt auf, dass sie neben Wagner sehr viel Ihrer Zeit der neuen, der zeitgenössischen Musik widmen. Woher kommt diese Leidenschaft?
Ich komme vom Klavier, habe dort ein breites Repertoire gespielt. Mein Vater war Jazzpianist, hatte eine klassische Ausbildung, er hat Arrangements für Musicals geschrieben. Ich bin also in einem Haushalt groß geworden, in dem es musikalisch gesehen keinerlei Grenzen oder Berührungsängste gab. Ich habe damit während meines Studiums angefangen, es hat mich gereizt, diese Musik in meinen Kopf zu bekommen. Ich möchte gefordert werden und diese Musik ist sehr anspruchsvoll. Ich bin kein gemütlicher Mensch. Und dann hatte ich natürlich auch das Glück, mit Komponisten wie Aribert Reimann direkt zusammenarbeiten zu dürfen. Das hat mich natürlich zusätzlich gereizt. Dazu kommt noch, dass diese Partien oft auch Sprechpassagen enthalten und sehr viel Schauspiel verlangen, was ich unglaublich gerne mache. Ich hätte gerne auch noch Schauspiel studiert, wenn das zeitlich gegangen wäre.