Veröffentlicht am 03.07.2025 10:56

Aktuelle Entscheidungen aus dem Verkehrsrecht

Rechtsanwalt Ulrich Einbaum (Foto: red )
Rechtsanwalt Ulrich Einbaum (Foto: red )
Rechtsanwalt Ulrich Einbaum (Foto: red )
Rechtsanwalt Ulrich Einbaum (Foto: red )
Rechtsanwalt Ulrich Einbaum (Foto: red )

Viele Situationen, gerade im Verkehrsrecht, scheinen rechtlich betrachtet eindeutig. Oftmals auf den ersten Blick eindeutige Sachverhalte beschäftigen die Gerichte und sorgen für
erstaunliche Ergebnisse.

Ulrich Eichbaum, Fachanwalt im Verkehrsrecht der Kanzlei F.E.L.S in Bayreuth, stellt im Folgenden die Problematik verschiedener Unfallsachverhalte dar.

Halten auf Busspur – keine Gnade für Bequemlichkeit
Ein Berliner Autofahrer wollte nur „ganz kurz“ etwas übergeben – sein Fahrzeug hielt er dafür in zweiter Reihe auf dem Bussonderfahrstreifen am Kurfürstendamm. Was der Fahrzeuglenker nicht bedachte: Ein nachfolgender Wagen konnte nicht rechtzeitig ausweichen, es kam zum Unfall.

Das Kammergericht Berlin urteilte klar: Alleinhaftung für den Fahrer, der den Busstreifen blockierte. Das Halten – auch für Sekunden – ist auf Busspuren streng verboten. Der Schutz des öffentlichen Nahverkehrs wiegt schwerer als die persönliche Bequemlichkeit (KG Berlin, Urteil vom 28.04.2025, Az. 22 U 50/22).

Das Urteil betont deutlich, dass Busspuren keine Ausweichzonen oder Kurzhalte-
flächen sind – daher sollten Verkehrsteilnehmer hier auch nicht ausnahmsweise diese nutzen.

Bei Gelblicht kein Freifahrtschein – auch nicht für Einsatzfahrzeuge
In Schleswig-Holstein kam es zu einem Zusammenstoß, als ein Fahrzeug mit Gelblicht in eine Kreuzung einfuhr. Der Fahrer berief sich auf Sonderrechte, da es sich um ein Behördenfahrzeug handelte.

Doch das Oberlandesgericht ließ diese Argumentation nicht gelten: Auch bei Gelblicht müssen Verkehrsregeln beachtet werden, wenn der Einsatz nicht eindeutig erkennbar ist.

Die Kernaussage des Urteils: Sonderrechte entbinden nicht von der Pflicht zu besonders vorsichtiger Fahrweise. Eine Gefährdung anderer ist zu vermeiden – und das gelte auch dann, wenn kein Blaulicht eingeschaltet ist (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.04.2025 – Az. 7 U 10/25).

Folglich dürfen Einsatzfahrzeuge weiterhin zwar im Notfall Regeln überschreiten, müssen jedoch sicherstellen, dass andere Verkehrsteilnehmer dies rechtzeitig erkennen können. Ein bloßes Gelblicht reicht nicht aus, um sich auf eine Vorrangstellung zu berufen.

Wer hat Vorfahrt bei Engstellen? Keiner – sagt der BGH
Ein Lkw und ein Pkw fuhren gleichzeitig auf eine Fahrbahnverengung zu. Beide gingen davon aus, dass sie „an der Reihe“ seien – es kam zur Kollision. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in seinem Urteil auf eine Haftungsverteilung von 50 zu 50.

Die Begründung: Keine der beiden Spuren hat automatisch Vorrang. In Situationen mit beidseitiger Engstelle gilt das Rücksichtnahmegebot gem. § 1 Abs. 2 StVO. Wer sich auf ein vermeintliches Vorfahrtsrecht beruft, handelt grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 08.03.2022 – Az. VI ZR 47/21).

Für viele Verkehrsteilnehmer überraschend: Auch das „Reißverschlussverfahren“ greift hier nicht automatisch – denn es setzt voraus, dass eine Spur endet. Ist das nicht eindeutig geregelt, zählt allein das Prinzip gegenseitiger Rücksicht.

Was bedeuten diese Urteile für Autofahrer im Alltag?
Die drei Entscheidungen machen deutlich, dass Gerichte immer weniger tolerieren, wenn Verkehrsteilnehmer sich auf Gewohnheiten, Selbstinterpretationen oder „gute Gründe“ berufen.

Da auch oftmals vermeintlich eindeutige Unfallgeschehen Ansatzpunkte zur Haftungsdurchsetzung bieten, sollten Sie sich rechtzeitig von einem Fachanwalt im Verkehrsrecht beraten lassen.

F.E.L.S Rechtsanwälte PartG mbB*

Löhestr. 11 / Rathenaustr. 30
95444 Bayreuth


Von red
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