Veröffentlicht am 24.07.2025 15:15

Tipps vom Fachanwalt für Erbrecht: Nur Bares ist Wahres?

Rechtsanwalt Dr. iur. Josef Zeitler (Foto: red )
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Ein Testament soll für Frieden sorgen, doch manchmal stiftet es Streit. Ein einziges unbedachtes Wort kann eine Familie spalten und zu jahrelangen, zermürbenden Gerichtsverfahren führen. Ein Fall aus Oldenburg zeigt, wie eine ganze Familie an der scheinbar einfachen Frage zerbrechen kann: Was genau meinte ein Vater, als er seiner Tochter per Vermächtnis ein Drittel seines „Barvermögens“ zukommen ließ? Was ist mit „Barvermögen“ gemeint?

Der Fall
Der Erblasser hatte in seinem notariellen Testament seine beiden anderen Kinder als Erben eingesetzt. Seiner Tochter, der Klägerin, vermachte er das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen zu einem 1/3-Anteil. Nach seinem Tod entbrannte der Konflikt. Denn neben wenigen Tausend Euro in bar in der Wohnung befanden sich auf den Konten des Vaters über 150.000 Euro sowie ein Aktiendepot im Wert von mehr als 34.000 Euro. Die Tochter war überzeugt, der Vater habe ihr ein Drittel von allem – Bargeld, Kontoguthaben und Aktien – zusprechen wollen. Ihre Geschwister als Erben sahen das anders: „Barvermögen“ sei nur das physische Bargeld.

Was ist „Barvermögen“?
Der Streit landete vor dem Landgericht Oldenburg. In der ersten Runde schien die Tochter zu triumphieren. Das Gericht legte den Begriff „Barvermögen“ extrem weit aus und schloss das gesamte Kapitalvermögen, also auch die Aktien, mit ein. Es stützte sich dabei maßgeblich auf die Aussage des Notars, der das Testament beurkundet hatte. Dieser glaubte, der Erblasser habe eine vollumfängliche Regelung gewollt.

Alle Zahlungsmittel
Doch die Erben gaben nicht auf und zogen vor das Oberlandesgericht Oldenburg. Und dort wurde der Fall neu aufgerollt – mit einem differenzierten und für das Erbrecht wegweisenden Ergebnis (Az. 3 U 8/23). Die Richter des OLG korrigierten das Urteil der Vorinstanz und schufen Klarheit. Sie stellten fest: Der Begriff „Barvermögen“ hat sich im Zeitalter des bargeldlosen Verkehrs gewandelt. Er umfasst heute nicht mehr nur Münzen und Scheine, sondern auch das gesamte Geld, das als Zahlungsmittel sofort verfügbar ist – also auch Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten, auf die man per Karte zugreifen kann.

Aber keine Aktien
Die entscheidende Grenze zogen die Richter jedoch bei den Wertpapieren. Aktien, so die überzeugende Begründung, sind kein „Bargeld“, sondern eine Form der Kapitalanlage. Ihr Zweck ist die Investition, nicht die sofortige Liquidität. Sie fallen daher nicht unter den Begriff des Barvermögens, sondern unter den des „Kapitalvermögens“. Da der Vater im Testament bewusst den engeren Begriff „Barvermögen“ gewählt hatte und auch auf Nachfrage beim Notar nie von Aktien sprach, konnte nicht bewiesen werden, dass er diese ebenfalls meinte.

Praxistipp
Dieser Fall ist eine Mahnung. Formulieren Sie glasklar. Statt vager Begriffe wie „Barvermögen“ oder „mein Vermögen“ listen Sie genau auf, was gemeint ist: Bargeld oder Kapitalvermögen, oder differenziert nach Bankvermögen, Wertanlagen, Aktien, Fonds, Forderungen, Versicherungen etc. Es können auch einzelne Vermögensbereiche ausgeschlossen werden. Nach der eher funktionalen Argumentation des Oberlandesgerichts dürften Kryptowährung, wie beispielsweise Bitcoin, eher nicht unter den Begriff des „Bargeldes“ fallen, da es aktuell mehr eine Spekulationsanlage ist als ein Zahlungsmittel. Daher sollte bei Kryptowährungen immer eine Klarstellung erfolgen.

Bestens beraten.
www.zeitler.law

Rechtsanwalt Dr. iur. Josef Zeitler

Fachanwalt für Erbrecht & Familienrecht

Karl-Marx-Straße 7 - 95444 Bayreuth

    Telefon: 0921/15 13 79-7


    Von red
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