Veröffentlicht am 31.07.2025 09:03

Das „ewige“ Widerspruchsrecht bei Lebens-/Rentenversicherungen

Jörg Anton Täuber, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Miet- und <br>Wohnungseigentumsrecht<br> (Foto: red )
Jörg Anton Täuber, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
(Foto: red )
Jörg Anton Täuber, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
(Foto: red )
Jörg Anton Täuber, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
(Foto: red )
Jörg Anton Täuber, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht
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mit Rechtsanwalt Jörg Anton Täuber

mit Rechtsanwalt Jörg Anton Täuber

Es gibt mehr Lebensversicherungen als Einwohner in Deutschland. Dieser Fakt zeigt, was für einen hohen Stellenwert nach wie vor die Lebens- und Rentenversicherung in Sachen Altersvorsorge hat – bis heute. Jedoch wird das Bild des ehemaligen Lieblings im Bereich der Altersvorsorge durch Niedrigzinsen, sinkende Renditen und Negativschlagzeilen über Versicherer getrübt. Dies wird auch daran erkennbar, dass sehr vielen Kunden ihre Lebensversicherung vorzeitig kündigen. Einer Studie des Marktforschungsinstituts „Infas quo“ zur Folge, hat bereits knapp jeder 4. (!) der Befragten, mindestens eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung gekündigt.

Gründe für die vorzeitige Kündigung einer Lebensversicherung – selbst nach jahrelanger Einzahlung – gibt es viele. Schenkt man den zahlreichen Studien glauben, liegt es vor allem daran, dass Kunden von jetzt auf gleich auf Geld angewiesen sind oder sich die Beiträge nicht mehr leisten können. Aber auch die sinkenden Renditen stoßen auf großen Unmut bei den Kunden. Deshalb wird lieber das Geld der Lebensversicherung genutzt, um in lohnendere Anlagemöglichkeiten zu investieren.

In den letzten Jahren musste sich deshalb der Bundesgerichtshof bereits mehrfach mit Lebens- und Rentenversicherungen und deren Bedingungen gerade im Hinblick auf einen erklärten Widerspruch/ Widerruf der Lebens- bzw. Rentenversicherung auseinandersetzen.

Schon mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.05.2014 (Az. IV ZR 76/11) haben die Richter die Rechte der Versicherten gestärkt. Das Gericht entschied in diesem Fall: Wenn der Versicherte bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde, steht diesem ein „ewiges“ Widerspruchsrecht zu. Die Belehrung über die Rechte des Versicherten unterliegt dem Deutlichkeitsgebot, muss also klar erkennbar gewesen sein. Wenn der Versicherungsnehmer von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung betroffen ist, kann die Lebens- bzw. Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes rückabgewickelt werden.

Hierdurch erhält der Versicherungsnehmer nicht nur seine eingezahlten Prämien zurück, sondern dazu auch noch einen Nutzungsersatz. Damit ist gemeint, dass mit dem Geld erwirtschaftete Gewinne an den Versicherten weitergegeben werden müssen. Demzufolge erhalten Versicherungsnehmer also alle Zinsen und der Versicherer darf davon nichts einbehalten. Bei einem solchen Widerruf erhält der Versicherungsnehmer somit mehr Geld ausgezahlt als bei einer Kündigung der Lebensversicherung.

Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 15.03.2023 (Az. IV ZR 40/21) erneut die Position der Verbraucher/Versicherungsnehmer beim Widerruf bzw. Widerspruch einer Lebens-/ Rentenversicherung erheblich gestärkt. Nach der Entscheidung des BGH muss die Widerspruchsbelehrung eindeutig darüber aufklären, in welcher Form der Widerspruch erfolgen muss. Folge einer unzureichenden Widerspruchsbelehrung ist, dass der Ausstieg aus dem Versicherungsvertrag noch Jahre nach Abschluss des Vertrages möglich ist.

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Versicherungsnehmer im April 2002 eine Lebensversicherung nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen. In der Widerspruchsbelehrung heißt es, dass die 14-tägige Widerspruchsfrist gewahrt ist, wenn der Widerspruch rechtzeitig abgesendet wird. Den Widerspruch erklärte der Versicherungsnehmer erst 2017 und der Versicherer wies ihn erwartungsgemäß zurück.

Der Bundesgerichtshof urteilte, dass die Widerspruchsbelehrung fehlerhaft ist, weil sie keinen Hinweis darüber enthielt, in welcher Form der Widerspruch erklärt werden müsse. Insoweit sei nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der ab dem 01.08.2001 gültigen Fassung die Textform erforderlich, aber auch ausreichend. Textform bedeutet, dass beispielsweise auch eine E-Mail ausreichend ist. Bei Verträgen die vor dem Jahr 2002 geschlossen wurden ist die Schriftform erforderlich. Der BGH machte deutlich, dass es sich dabei nicht nur um einen geringfügigen Belehrungsfehler handelt, der den Versicherungsnehmer nicht darin hindert, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben, wie bei zutreffender Belehrung. Der Hinweis auf die rechtzeitige Absendung sei schon deshalb nicht ausreichend, weil daraus nicht deutlich werde, dass der Widerspruch in Text- oder Schriftform zu erfolgen habe. Der Versicherungsnehmer könne daher annehmen, dass der Widerspruch auch mündlich erklärt und dann als Ton- oder Videoaufnahme per E-Mail oder auf einem Datenträger rechtzeitig abgesendet werde. Bei einer solchen Übermittlung wäre die Textform allerdings nicht gewahrt. Dabei sei es nicht wesentlich, dass eine solche Übertragungsart eher selten gewählt wird, entscheidend sei nur, dass die Widerspruchsbelehrung den Versicherungsnehmer über die erforderliche Form des Widerspruchs im Unklaren lässt, so der BGH.

Der erfolgreiche Widerspruch führt dazu, dass der Versicherungsnehmer die Rückzahlung seiner gesamten geleisteten Beiträge verlangen kann. Abzuziehen sind lediglich die abgeführte Kapitalertragssteuer und der Solidaritätszuschlag sowie ein Beitrag für den gewährten Versicherungsschutz. Abschluss- und Verwaltungskosten muss jedoch ausschließlich der Versicherer tragen.

Mit dieser erneuten Rechtsprechung zu Gunsten der Verbraucher/Versicherungsnehmer wird eine weitere Möglichkeit durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs statuiert, von sehr langfristigen Vertragsverhältnissen wie einer Lebens- und Rentenversicherung Abstand zu nehmen, ohne sich auf die Kündigung verweisen zu lassen.

Damit gilt: Nur wer die komplexen Versicherungsbedingungen und die Voraussetzungen zum Abschluss des Vertrages erkennt, kann unter Umständen ohne Verluste, sogar mit einem Gewinn den Versicherungsvertrag rückabwickeln und damit optimale Ergebnisse erreichen.


Von red
north