Über die Besonderheiten der Schmerzbehandlung, im Zusammenhang mit operativen Eingriffen bei Kindern, informiert Sie heute Dr. Stefan Sammet, der als niedergelassener Anästhesist seit vielen Jahren Kinder und Jugendliche aller Altersklassen bei ambulanten Operationen betreut.

Gibt es Unterschiede in der postoperativen Schmerzbehandlung von Kindern und Erwachsenen?
Dr. med. Stefan Sammet: Grundsätzlich beginnt die Schmerzbehandlung eigentlich schon vor dem ambulanten Eingriff. Wie in der A&l, der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAl), vom April 2024 berichtet wird, spielt schon die Informationsvermittlung vor dem Eingriff bei der Aufklärung über die Anästhesie eine entscheidende Rolle. Hier ist es besonders wichtig, eine „unbeabsichtigte, negative“ Kommunikation zu vermeiden und stattdessen mit allgemein verständlichen, eindeutigen Worten eine positiv besetzte „Placebo“- Kommunikation betreiben, die Sicherheit schafft. Nach der Anästhesie sollte man stets offene Fragen stellen: „Wie geht es Dir? Fühlst Du Dich wohl?“ Statt zu fragen: „Ist Dir übel? oder Hast Du Schmerzen?“. Sollte das Kind von sich aus Schmerzen angeben, so gilt natürlich auch bei ihnen der Leitsatz der Schmerztherapie: „Schmerz besteht immer da, wo und wie stark der Patient es angibt“. Das bedeutet, zunächst auch, dass nicht das Kind die Erwachsenen überzeugen muss, dass es Schmerzen hat, sondern dass diese dafür sorgen müssen, dass das Kind möglichst keine oder zumindest nur erträgliche Beschwerden hat. Die Schmerzstärke sollte, z.B. anhand einer Smiley-Skala erfasst werden, um Erleichterungen beurteilen zu können. Alle ermutigenden Aufforderungen, den oft unvermeidlichen Ungemach nach ambulanten Eingriffen zu ertragen, sollten jedoch eine ausreichende Behandlung mit Schmerzmedikamenten oder schmerzlindernden Maßnahmen nicht
ersetzen.

Ist das Schmerzempfinden bei Kindern anders als bei Erwachsenen?
Dr. med. Stefan Sammet: Das Schmerzerleben hat ja bei allen Menschen eine emotionale Komponente. Bei Kindern ist sie im Zusammenhang mit einer Operation jedoch besonders ausgeprägt. Ein Kind befindet sich, ebenso wie seine Eltern, in einer Ausnahmesituation. Das dürfen wir als medizinisches Personal nie aus den Augen verlieren. Was für uns Routine ist, bedeutet auf Seiten der betroffenen Familie oft emotionalen Stress. Die ungewohnte Umgebung, fremde Personen, auch noch seltsam verkleidet, womöglich durch Gesichtsmasken unkenntlich geworden und das geliebte Schmusetier wurde in der Aufregung auch noch daheim vergessen... Kinder brauchen ein Eingehen auf diese Besonderheiten. Ein Elternteil sollte bis zur erfolgreichen Narkoseeinleitung und beim Wiedererwachen nach dem Eingriff anwesend sein. Hierauf wird in ambulanten Operationszentren wie unserer „Klinik an der Therme“, wo man der Behandlung von Kindern besondere Aufmerksamkeit schenkt, größter Wert gelegt.

Können die Eltern vor dem Eingriff selbst etwas tun?
Dr. med. Stefan Sammet: Wichtig ist es, auch kleine Kinder im Vorfeld (z.B. im Anästhesie-Vorgespräch) mit einzubeziehen, ihnen zu erklären, was auf sie zukommt und ihnen damit die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen, z.B. spielerisch schon mal ein örtliches Betäubungspflaster aufkleben. Bei größeren Kindern kann man die Möglichkeiten der Schmerzmessung anhand einer Smiley-Skala aufzeigen, ihnen versichern, dass man alles gegen den Wundschmerz tun wird und sie ermuntern, sich in diesem Falle zu melden. Bei sehr jungen Kindern ist die Kommunikation naturgemäß schwieriger und verlangt von allen Beteiligten Empathie, d.h. sich in die besondere Situation aus
Sicht des Kindes hineinzuversetzen.

Welche Maßnahmen kommen denn im Operations-Alltag zur Anwendung?
Dr. med. Stefan Sammet: Bei den im ambulanten Bereich üblichen Eingriffen legen wir großen Wert auf die Vorbeugung der Schmerzen, zum einen, wo immer möglich, durch Anwendung örtlicher Betäubungsmittel zur Ausschaltung der Schmerzen im OP-Gebiet durch Injektionen direkt in die Wunde, durch Nervenblockaden oder Kühlung, sowie Ablenkung. Zum anderen durch die vorbeugende Gabe von systemisch, d.h. im gesamten Organismus, wirkenden Schmerzmedikamenten. Normalerweise erhalten bei uns Kinder unter zehn Jahren das erste Schmerzmittel schon zusammen mit dem Beruhigungssaft, der verhindert, dass sie nach erfolgtem Wirkungseintritt unangenehme Erinnerungen an die Narkoseeinleitung haben. Das können nach der Narkoseeinleitung verabreichte Zäpfchen mit Paracetamol oder Ibuprofen als Wirkstoff sein, während der Narkose in die Vene verabreichtes Paracetamol, Metamizol, Tramadol oder Piritramid. Sollte dies nicht ausreichend gewesen sein, können die gleichen Medikamente selbstverständlich im Aufwachraum nochmals in der auf
Alter und Gewicht des Kindes angepassten Dosierung gegeben werden. Bei unruhigen Kindern ist manchmal auch eine nochmalige Sedierung hilfreich. Entscheidend ist, wie oben ausgeführt, dass sich die kleinen Patienten beim Erwachen aus der Narkose durch Anwesenheit einer vertrauten Person gut aufgehoben fühlen. Sollten zuhause noch Probleme oder Fragen auftauchen, ist immer einer der an der Ambulanten Operation beteiligten Ärzte erreichbar.