Zwei schmale 19- jährige Schüler sitzen kleinlaut im Bayreuther Justizgebäude auf der Anklagebank von Saal 006. Sie haben, wirft Ihnen die Staatsanwältin vor, einen Tag lang an vier Bayreuther Schulen (darunter RWG, GCE, WWG und die FOS) verbotene, rechtsextremistische Botschaften an Türen und Wände gemalt – vor allem in Toiletten. Darunter befanden sich Hakenkreuze oder die Runenzeichen der Waffen-SS aus der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Neben die Zeichen kritzelten sie im Sommer 2023 Sätze wie „Deutschland den Deutschen“, „Juden raus“ oder „Zigeuner sind schuld“. Der Nordbayerische Kurier schlagzeilte damals aufgrund der Dimension des Falles: „Antisemitische Parolen in Bayreuther Schulen“.

Der Prozess wird der Jugendrichterin zu beliebig

Die Verhandlung hat zunächst eher narkotisierende Wirkung. Die geständigen Schüler bereuen erwartungsgemäß zutiefst, können auch nicht erklären, was sie an diesem Tag zu diesen Taten – strafbar als Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung – motiviert hat. „Es war uns halt langweilig“, meint Einer bei seiner Vernehmung. Sie hätten sich aber bereits entschuldigt, betrieben Wiedergutmachung und seien keinesfalls extremer, politischer Gesinnung. Von Anwaltsseite wird schon angeregt, die Anklage fallen zu lassen. Der Eindruck hat sich breit gemacht, die beiden Schüler – zum Tatzeitpunkt beide 18 Jahre alt – seien eher der klassischen Jugendsünde verdächtig als der schlimmen Volksverhetzung, die empfindliche Strafen nach sich ziehen kann. Doch dann kommt Richterin Eva Ganzmüller in Fahrt. Ihr wird der Prozess offenbar zu beliebig.

Hakenkreuze sind Symbole des Unrechts schärft sie den Schülern ein

Sie beugt sich ein wenig nach vorne, fixiert die beiden jungen Männer auf der Anklagebank. Ihr Gesichtsausdruck wird ernst, beinahe frostig. „Stellen Sie sich bitte vor“, holt die Richterin zu einem längeren Statement aus, „sie befänden sich im Jahr 1943 während der NS-Zeit wegen ähnlicher Taten vor Gericht – also wegen Volksverhetzung oder damals vermutlich wegen Wehrkraftzersetzung. Sie bekämen dann nicht die faire Verhandlung eines Rechtsstaats, sondern höchstens ein kurzes Sondergericht, an dessen Ende wohl die Todesstrafe stünde. Sie hätten es mit einem Unrechtsstaat zu tun. Und genau dessen Hauptsymbol, nämlich das Hakenkreuz, malen Sie 2023 an die Toilettentüren von Schulen und erinnern an ein Deutschland, das niemand wieder zurück haben will.“ Mit nichts seien diese Taten zu rechtfertigen, fügt Ganzmüller hinzu. „Auch nicht mit der Lust an der Provokation“. Dann löst sie langsam wieder den Blick von den beiden Schülern. Ihre Ansprache ist nicht nur den Angeklagten unter die Haut gegangen. Es ist still im Raum.

„Hab´ ich noch bei keiner Verhandlung gehört.“

An der Schuldfrage gibt es keinen Zweifel. Im Urteil folgt die Richterin wenig später dem Vorschlag der Staatsanwältin, nach Jugendstrafrecht zu verfahren und den beiden Schülern jeweils 50 gemeinnützige Arbeitsstunden aufzubrummen. „Beide sind noch unreife Persönlichkeiten und Beide hatten 2023 schwierige Zeiten“, befindet die Jugendrichterin nachsichtig. „Aber es bereitet mir Sorgen, wie Beide diese vielen juden- und fremdenfeindlichen Klischees bedient haben.“
Der Saal leert sich. Draußen im Gang hallt die Ansprache der Richterin nach. Einer der Prozessbeteiligten äussert sich anerkennend: „Das war stark. So eine Ansprache hab ich noch bei keiner Verhandlung gehört.“ Nicht nur für ihn war es eine kleine Sternstunde im Bayreuther Justizgebäude.