Der frühere Weltklasse-Skirennläufer Christian Neureuther war auf Einladung des Rotary Club Bayreuth-Eremitage an der Universität Bayreuth zu Gast. Vor seinem Vortrag sprach er mit unserer Redaktion über Erfolge, Niederlagen, Lebensfreude und den Skisport im Wandel der Zeit.
Herr Neureuther, Sie gehören zu den prägenden Gesichtern des deutschen Skisports. Wenn Sie auf Ihre aktive Zeit zurückblicken – was war Ihr wichtigster Sieg?
Christian Neureuther: Der wichtigste Sieg war, dass ich durch den Skisport das Glück meines Lebens gefunden habe – meine Frau Rosi. Wir haben durch den Sport eine gemeinsame Zeit erlebt, die einzigartig war. Die eigentlichen Siege sind am Ende gar nicht so entscheidend. Wichtiger sind die Erfahrungen, das gemeinsame Erleben, die Natur, die Familie und die Gemeinschaft – und die Fähigkeit, hinzufallen, aber wieder aufzustehen. Man lernt ohnehin mehr aus Niederlagen als aus Siegen.
Sie sprechen vom Umgang mit Niederlagen. Wie sind Sie selbst mit Druck und Erwartungshaltung umgegangen?
Christian Neureuther: Druck gehört im Leistungssport dazu – und die Fähigkeit, damit umzugehen, ist fast ebenso wichtig wie Technik oder Kondition. Ein gutes „Nervenkostüm“, wie ich es nenne, ist zum Teil angeboren. Heute hat fast jeder Spitzensportler psychologische Betreuung. Ich war damals einer der Ersten, die mit einem Psychologen gearbeitet haben. Trotzdem war ich eher sensibel – vielleicht zu sensibel für den ganz großen Erfolg. Aber genau das hat mir andere Türen geöffnet. Meine Frau Rosi zum Beispiel brauchte keinen Psychologen. Sie wollte nie gewinnen – und wer keinen Siegesdruck hat, steht automatisch entspannter am Start. Auch unser Sohn Felix hat seinen Weg gefunden. Er hat gelernt, sich auf den Moment zu konzentrieren: nicht an den Erfolg oder das Ausscheiden denken, sondern einfach gut Ski fahren. Das hätte ich mir damals auch gewünscht. Da könnte ich heute noch viel von ihm lernen.
Heute stehen Sie als Gastredner auf der Bühne. Wie verstehen Sie Ihre Rolle?
Ich sehe mich nicht als klassischen Redner. Ich erzähle einfach aus meinem Leben – mit Humor, mit Herz und hoffentlich mit einer positiven Botschaft. Ich will keine trockenen Vorträge halten, sondern Menschen erreichen, sie zum Lächeln bringen und vielleicht ein bisschen zum Nachdenken. Ich bin kein Professor, ich erzähle einfach ehrlich aus meiner Erfahrung und aus meinem Leben.
Was möchten Sie den Zuhörern mit auf den Weg geben?
Christian Neureuther: Dass man das Leben positiv sehen sollte. Dass man nach vorne schaut, nicht zurück. Es zählt nicht, was man einmal geleistet hat, sondern was man den nächsten Generationen hinterlässt – den eigenen Kindern, den Enkeln. Engagement, Freude, Bewegung – das ist es, was bleibt.
Thema Klimawandel: Wie sehen Sie die Zukunft des alpinen Skisports?
Christian Neureuther: Der Klimawandel ist Realität – und wir Skifahrer spüren ihn unmittelbar. Der Schnee, unser bester Freund, schmilzt uns unter den Skiern weg. Trotzdem ist der Skisport Teil einer gewachsenen Kultur. Millionen Menschen leben vom Tourismus in den Alpen. Wir müssen also verantwortungsvoll handeln, nachhaltiger werden, aber den Skisport nicht verteufeln. Bewegung, Naturerlebnis, Gemeinschaft – das alles sind Werte, die wir bewahren müssen. Wenn Kinder auf der Piste stehen, lernen sie weit mehr als Technik: Sie erfahren Freude, Teamgeist und Nähe zur Familie. Mein Schwiegervater ist mit 85 Jahren noch mit seinem Enkel Felix Ski gefahren, ich fahre mit 76 mit meinen Enkeln. Das sind Momente, die zählen. Natürlich müssen wir umdenken, aber wir dürfen uns die Berge nicht nehmen lassen. Und wenn man ehrlich ist: Alle Gletscherskigebiete zusammen, bedecken etwa nur ein Prozent der Gletscherflächen. Verantwortung ja – Verzicht nein.
Was treibt Sie heute an?
Christian Neureuther: Neugier, Dankbarkeit – und der Wunsch, anderen etwas Positives mitzugeben. Rosi hat immer gesagt: „Das Leben ist schön – man muss es nur sehen.“ Und genau das versuche ich weiterzugeben.