Veröffentlicht am 23.03.2020 10:00
Veröffentlicht am 23.03.2020 10:00

medi bayreuth - Korner: „Nehme diese Zeit noch als komplett surreal wahr”

Bleibt aktuell in Bayreuth: medi-Coach Raoul Korner. (Foto: Thorsten Ochs)
Bleibt aktuell in Bayreuth: medi-Coach Raoul Korner. (Foto: Thorsten Ochs)
Bleibt aktuell in Bayreuth: medi-Coach Raoul Korner. (Foto: Thorsten Ochs)
Bleibt aktuell in Bayreuth: medi-Coach Raoul Korner. (Foto: Thorsten Ochs)
Bleibt aktuell in Bayreuth: medi-Coach Raoul Korner. (Foto: Thorsten Ochs)

BAYREUTH. Aktuell hat medi bayreuth, wie viele andere Vereine auch,

eine schwere Situation zu bewältigen

. Trainer Raoul Korner, der im Moment weiterhin in Bayreuth weilt, hat auf der Website der Oberfranken ein ausführliches Interview gegeben.

Wie sieht dein Tagesablauf jetzt aktuell aus? Die derzeitige Situation ist für alle neu und hat uns vollkommen überrumpelt. Ich versuche, diese Zeit für mich zu nutzen, um Dinge zu tun, für die ich die letzten Jahre keine Zeit hatte: meine Turbinen runterzufahren, abzuschalten, zu „entschleunigen” wie man so schön sagt. Sei es, mehr zu lesen, Filme anzuschauen, mich weiterzubilden, oder einfach auch einmal nichts zu tun. Ich war seit nunmehr über 20 Jahren immer auf Dauerbetrieb und früher oder später hätte ich ohnehin mal die Pause-Taste drücken müssen. Das mache ich halt jetzt - bisher zugegebenermaßen aber noch mit mäßigem Erfolg.

Wie hast du die ganzen Entwicklungen von „bitte öfter Hände waschen” über Veranstaltungsverbote, Grenzschließungen bis jetzt zu den ersten Ausgangssperren erlebt? Als Österreicher bekomme ich natürlich alles aus erster Hand aus meiner Heimat mit und konnte mich daher auch schon ein wenig darauf einstellen, was uns alle hier erwarten wird. Die Maßnahmen sind meiner Meinung nach richtig und alternativlos, auch wenn sie uns natürlich massiv in unserer Freiheit einschränken. Letztendlich nehme ich diese Zeit noch als komplett surreal wahr. Es fühlt sich ein wenig an, wie Teil eines schlechten Hollywood-Films zu sein. Ich hoffe, dass wir in ein paar Monaten auf diese Zeit zurückblicken können und stolz darauf sind, wie wir alle gemeinsam diese Krise bewältigt haben. Bis dahin heißt es jetzt erst einmal diszipliniert sein und sein Ego dem Gemeinschaftsinteresse unterzuordnen - wie im Teamsport!

Immer mehr Spieler reisen heim zu ihren Familien. Wirst auch du nach Österreich fahren? Die nächste Zeit werde ich erst einmal hier bleiben. Letztendlich ist es ja auch egal, wo ich in den eigenen vier Wänden sitze und das was ich derzeit mache, kann ich von überall aus gleich tun. Sobald sich die Lage entschärft, werde ich aber definitiv nach Wien zu meiner Familie und meinem heimatlichen sozialen Umfeld fahren.

Ein Drittel der Bundesliga-Saison samt Playoffs steht noch aus. Wie soll man die Serie, mal abgesehen vom Halbfinale im FIBA Europe Cup, noch in irgendeiner Art und Weise fair zu Ende bringen? Ist womöglich die komplette nächste Saison in Gefahr?

Niemand kann sagen, wie lange uns Corona noch verfolgen wird. Eines ist für mich aber glasklar: ich sehe kein realistisches Szenario, in dem man diese Saison in der Bundesliga zu Ende spielen kann. Wir sind noch mehrere Wochen vom Höhepunkt der Pandemie entfernt und bis Normalität einkehrt, wird noch einmal ein ganzes Stück Zeit vergehen. Meiner persönlichen Meinung nach werden wir letztendlich froh sein können, wenn die nächste Saison pünktlich starten kann. Den FIBA Europe Cup könnte man im Rahmen eines Final-Four Turniers in die kommende Pre-Season (Ende September) legen. Auch wenn die Mannschaften dann personell anders aufgestellt sein werden als jetzt, ist das für mich das einzig realistische Szenario, zumindest diesen Wettbewerb zu Ende zu bringen. Dann hätten diese vier Teams auch gleichzeitig ein vernünftiges Vorbereitungsturnier auf die nächste Saison.

Wirtschaftlich wird die Corona-Krise eine große Herausforderungen für alle Klubs. Wie schätzt du die Auswirkungen ein? Das kann derzeit glaube ich noch niemand wirklich einschätzen. Fakt ist, dass diese Krise Spuren hinterlassen wird. In erster Linie hoffe ich natürlich, dass möglichst wenige Menschen zu Tode kommen werden. Die Gesundheit sollte bei jeder Diskussion immer an oberster Stelle stehen. Danach bleibt der Schaden für die Wirtschaft, der mit Sicherheit an keinem Standort spurlos vorübergehen wird. Ein Sportklub ist ähnlich betroffen wie ein Klein- oder Mittelunternehmen, dem plötzlich die Geschäftsgrundlage wegfällt. Die Ausgaben bleiben, während die Einnahmen auf Null fallen. Da braucht man kein Mathematiker zu sein, um zu verstehen, dass sowas nicht lange gut geht.

Stehst du mit anderen Coaches jetzt noch intensiver in Kontakt? Ja, dieser Kontakt hat sich die letzten Tage definitiv intensiviert. Bei aller Konkurrenz der letzten Monate sitzen wir letztendlich alle im selben Boot und wollen unseren Klubs im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen. Gleichzeitig spielt die Unsicherheit über unsere eigene Zukunft eine starke Rolle in unseren Gesprächen. Für jeden von uns ist diese Situation neu und manchmal hilft es schon zu wissen, dass man nicht der Einzige ist, der keine Ahnung hat, wie man mit dieser Herausforderung umgehen soll.

Was können wir jetzt gemeinsam für den Basketball Standort Bayreuth tun? Im Moment kämpft gefühlt jeder mit der Situation an sich und der damit verbundenen Ungewissheit, wie es weiter gehen soll. Dieses Virus betrifft uns alle irgendwie! Früher oder später wird jeder in Bayreuth vor die Frage gestellt werden: was liegt mir an der Fortführung dieses Basketball-Bundesliga-Standortes? Und fast jeder wird im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas beitragen können: sei es, auf eventuelle Rückzahlungsansprüche aus Saisontickets oder Sponsorenleistungen zu verzichten, obwohl man jeden Euro derzeit selber sehr gut gebrauchen könnte. Sei es trotz der schwierigen wirtschaftlichen Zeiten erneut als Dauerkartenbesitzer oder Sponsor dabei zu sein. Vielleicht finden sich sogar unter dem Motto „Jetzt erst recht” neue Unterstützer. Ich bin grundsätzlich ein positiv denkender Mensch und habe die Bayreuther nun doch schon etwas kennen gelernt. Es wird zwar definitiv eine Herkules-Aufgabe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere einzigartige Basketball-Gemeinde diesen Club untergehen lässt.

Was willst du den medi Fans noch sagen? Das Wichtigste zuerst: bitte bleibt beziehungsweise werdet alle gesund und helft diszipliniert mit, dass dieses Virus so bald wie möglich besiegt wird! Und dann wünsche ich jeder/m Einzelnen, dass jeder irgendetwas Positives aus dieser schwierigen Zeit mitnehmen kann: mehr Zeit mit der Familie, die Erfahrung ungeahnter Solidarität, das Wissen, auch durch die schwierigsten Krisen zu kommen,… was auch immer. Lasst euch nicht unterkriegen und denkt immer positiv: wir werden das schaffen!


Von Jessica Mohr
jm
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