Veröffentlicht am 11.07.2021 06:00
Veröffentlicht am 11.07.2021 06:00

Was braucht es, um getauft zu werden? – von Dr. Carsten Brall, Pfarrer der Stadtkirche

Pfarrer-Brall (Foto: Altkofer)
Pfarrer-Brall (Foto: Altkofer)
Pfarrer-Brall (Foto: Altkofer)
Pfarrer-Brall (Foto: Altkofer)
Pfarrer-Brall (Foto: Altkofer)

Was braucht es, um getauft zu werden? Menschen aus unterschiedlichen Zeiten haben unterschiedlich darauf geantwortet. In der Frühzeit des Christentums sah das wohl so aus: Man ging zu einer Christengruppe und sagte, dass man mehr über die christlichen Inhalte erfahren möchte. Wahrscheinlich hatte man Menschen kennengelernt, die selbst Christen waren und deren Leben so beeindruckend war, dass man selbst dazugehören wollte. Oder man hatte etwas gehört, was inhaltlich so überzeugend war, dass man Teil dieser Gruppe oder Gemeinde sein wollte. Für die Menschen in der Antike begann dann ein Weg, der meistens 40 Tage dauerte. Oft waren es die 40 Tage vor Ostern, in denen man viel über den Glauben lernte. Gemeinsam mit anderen schlug man diesen Weg ein. Dann kam in der Osternacht das große Fest. Vor den Mauern der Kirche wurde man getauft und durfte in weißen Kleidern den Gottesdienst zum ersten Mal als Teil der Gemeinde mitfeiern. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein. Für die ersten Christen war also klar: Erst kommt die Lehre und dann die Taufe. Kaum war aber das Christentum im Römischen Reich und anderswo anerkannt und der Glaube keine Gefahr mehr für Leib und Leben, änderte sich das. Man war der festen Überzeugung, dass, je früher die Taufe komme, desto besser sei es.

So etablierte sich schnell die Taufe von Kindern. Nun kam die Taufe der Kinder oft schon im Alter von nur wenigen Tagen oder gar Stunden – und dann kam später im Lauf der Jahre der Unterricht dazu.

Heute gibt es beides, aus gutem Grund. Manche Menschen lernen als Jugendliche oder Erwachsene Christen und ihren Glauben kennen. Dann lassen sie sich taufen. Bei den allermeisten ist es aber so, dass schon die Eltern sich für die Taufe entscheiden, so wie sie auch viele andere Entscheidungen für ihre Kinder treffen. Theologisch finden sich für beides gute Argumente. Die Geschichten von Menschen, die erst als Erwachsene getauft werden – so wie der Kämmerer aus Äthiopien in der Apostelgeschichte – erzählen in bewegenden Beispielen davon, wie Menschen zum christlichen Glauben finden und die Taufe als ein sehr persönliches und emotionales Ereignis erleben. Der Apostel Paulus, der tief im jüdischen Glauben aufwuchs, vergleicht die Taufe mit der jüdischen Beschneidung für die männlichen Kinder. Damit rückt er die Taufe ganz an den Beginn des Lebens von Mädchen und Jungen. Die Kinder wachsen damit in dem Glauben und in dem Vertrauen auf, dass Gott längst sein großes Ja zu ihrem Leben gesprochen hat und nun lernen sie, ihr kleines Ja zu diesem großen Ja zu geben.

Am Sonntag ist der 6. Sonntag nach Trinitatis, es ist der Tauferinnerungssonntag. Er erinnert an diesen Schatz unserer christlichen Tradition. In den zurückliegenden anderthalb Jahren wurde so manche Taufe aufgeschoben oder unter ganz anderen Bedingungen gefeiert. Das wirft einen neuen Blick auf die Taufe.

Wir stellen fest: Wie schön ist es, wenn die Familie zusammen feiern kann! Vielen wurde das Familienband neu bewusst, das uns verbindet. Der Besuch zwischen Enkeln und Großeltern wurde vielerorts zur Mangelware. Es hätte so viel gemeinsam zu erleben und von einer Generation auf die nächste weiterzureichen gegeben. Es heißt, dass diese Zeit uns nicht nur digital aktiver, sondern auch traditionsbewusster gemacht hat: weil wir nun wissen, was es heißt, zu vermissen. Auch mir als Pfarrer hat die Zeit mit nur wenigen Taufen einen Mangel vor Augen geführt. Christ-Sein kann man nur teilweise digital lernen und einüben. Wir brauchen die Begegnung von Mensch zu Mensch. Die Taufe als buchstäblich greifbares Zeichen der Gegenwart Gottes verdeutlicht das. Diese Feier der Gemeinschaft tut gut und sie schafft etwas, was Bits und Bytes nicht ersetzen können: das Bewusstsein der Gegenwart Gottes mitten unter uns.


Von Roland Schmidt
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