Die vorgenannte Bauernweisheit ist nur bedingt richtig. Auch bei Auffahrunfällen liegt nicht immer die volle Haftung beim Auffahrenden, etwa bei Bremswegverkürzung durch vorherigen Auffahrunfall des Vordermanns. Wie also verhält man sich bei einem Verkehrsunfall, um seine Ansprüche nicht zu gefährden? Zunächst einmal ist es immer ratsam, die Polizei zu informieren. Wenn auch die Beamten bei reinen Sachschäden ungern ausrücken, kann alleine der polizeiliche Unfallaufnahmebogen vor Gericht im Zweifel Indizwirkung entfalten. Ferner sollte die Endstellung der Unfallfahrzeuge samt sichtbarer Kennzeichen fotografiert werden, um im Nachhinein die Beweislage zu sichern. Die spontane Aussage eines Unfallbeteiligten, er sei am Unfall Schuld, stellt übrigens in der Regel kein verbindliches Schuldanerkenntnis dar. Die Einschaltung eines Anwalts lohnt sich also in jedem Fall, da es häufig um Spitzfindigkeiten bei der Haftungsfrage geht – schließlich sitzen auf der Gegenseite ebenso geschulte Sachbearbeiter. Doch auch bei (vermeintlich) klarer Haftung sollte ein Anwalt hinzugezogen werden, da die Versicherungsbranche in den meisten Fällen versucht, den Schaden der Höhe nach zu kürzen. Dies reicht von Mietwagenkosten, über Nutzungsausfallentschädigung bis hin zu Reparaturkosten. Hält man hier nicht dagegen, zahlt der Betroffene die Differenz aus eigener Tasche. In der Versicherungswirtschaft sind sogenannte „Prüfberichte“ ein beliebtes Instrument, um vornehmlich fiktive, aber auch konkrete Reparaturkosten nach Belieben zu kürzen. Reicht man also beim gegnerischen Haftpflichtversicherer ein Gutachten, respektive eine Reparaturrechnung ein, so erhält man nahezu in jedem Fall eine unzulängliche Regulierung und einen Prüfbericht, der scheinbar unnötige oder zu teure Positionen aufdeckt, die angeblich nicht erstattungsfähig seien. Dass sich insbesondere gegen Prüfberichte (die rechtlich meist noch nicht einmal Indizwirkung haben) anwaltliche Tätigkeit lohnt, zeigt eindrucksvoll eine recht aktuelle Entscheidung des AG Zittau vom 10.12.2020 (Az.: 14 C 371/20). Es musste erst ein Klageverfahren gegen den Versicherer geführt werden, bis der Geschädigte sein Geld bekam. Gerade aufgrund der aktuellen Corona-Situation entstehen für Sachverständige und Werkstätten bei Arbeiten am beschädigten Fahrzeug Mehrkosten für den Desinfektionsaufwand. Diese werden ähnlich häufig zu Recht auf der Rechnung ausgewiesen wie zu Unrecht vom gegnerischen Versicherer gekürzt. Dank einiger Gerichtsverfahren blieben die Geschädigten bisher auf diesen Kosten nicht sitzen, sondern es wurden richtigerweise die Versicherer verurteilt. Im Übrigen gibt es bei Verkehrsunfällen einige Schadenspositionen, die nicht offensichtlich sind und die daher nicht jeder „auf dem Schirm“ hat. So setzt ein Anwalt gerne Pauschalunkosten, angemessene Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur oder auch Haushaltsführungsschaden für Sie durch. Ebenso kann ein Rechtsanwalt zur Regulierung eines angemessenen Schmerzensgeldes beitragen, da hier die Versicherer äußerst sparsam sind. Die Anwaltskosten muss im Übrigen bei einem nichtverschuldeten Verkehrsunfall die Gegenseite tragen.