Der BGH (Bundesgerichtshof) hat das Pflichtteilsrecht erneut gestärkt (IV ZR 60/22). Auch einem Erben kann der volle Pflichtteil nebst allen Auskunfts- und Wertermittlungsrechten zustehen. Der Fall beim BGH Ein Vater hatte seine fünf Kinder als Erben eingesetzt, die Ehefrau war vorverstorben. Durch Vermächtnisse und Testamentsvollstreckung wurden zwei der fünf Kinder erheblich begünstigt, zum Nachteil der anderen drei Kinder. Diese drei nutzten eine spezielle gesetzliche Regelung für diese Fälle der Benachteiligung, schlugen ihre Erbschaften aus und verlangten von einem Bruder nun Auskunft über den Nachlass. Dieser verweigerte die Auskunft mit der Begründung, die drei Geschwister seien nicht durch Testament enterbt worden, sondern hätten die Lage selbst verursacht. Hintergrund: Auskunftsanspruch Kinder sind im Falle einer Enterbung berechtigt den Pflichtteil zu verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Zahlungsanspruch. Maßgeblich ist der Wert des Nachlasses zum Todestag. Zur Durchsetzung des Pflichtteils kann von den Erben auf Kosten des Nachlasses Auskunft, Wertermittlung und Zahlung verlangt werden. Es kann auch ein amtliches Nachlassverzeichnis gefordert werden. Der Bundesgerichtshof musste nun die Frage beantworten, ob diese Rechte auch bestehen, wenn der Pflichtteilsanspruch nicht durch eine Enterbung, sondern durch eine Ausschlagung entstanden ist. Auskunft auch bei Ausschlagung Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten der im Testament benachteiligten drei Kinder. Diese haben demnach dieselbe Rechtsstellung wie Kinder, die durch ein Testament enterbt wurden. Das Gesetz gibt Pflichtteilsberechtigten ein Wahlrecht zwischen einem beschränkten bzw. beschwerten Erbteil und dem Pflichtteil. Beschränkungen und Beschwerungen können – wie hier im Fall – Testamentsvollstreckung oder Vermächtnisse sein. Durch eine fristgerechte Ausschlagung kann in diesen Fällen der Pflichtteil geltend gemacht werden. Die mit dem Pflichtteil verbundenen Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung hängen nicht davon ab, wie der Pflichtteilsanspruch entstanden ist. Damit hat der Bundesgerichtshof Klarheit und Rechtssicherheit in dieser Frage geschaffen. Pflichtteilsergänzung Neben dem Pflichtteil kann auch ein Ergänzungsanspruch bestehen, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen verschenkt hat. Für Schenkungen unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts, Zuwendungen an Kinder oder den Ehegatten gelten auch oftmals keine Zehnjahresgrenzen. Eigengeschenke werden jedoch berücksichtigt. Im genannten Fall des BGH kann den drei Geschwistern daher auch zusätzlich eine Ergänzung wegen Schenkungen zustehen. Tipp Auch ohne Ausschlagung können pflichtteilsberechtigte Erben einen Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen haben. In bestimmten Fällen kann also gleichzeitig eine Miterbenstellung und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehen. Verjährung Der Pflichtteil verjährt regelmäßig drei Jahre nach dem Erbfall und in bestimmten Konstellationen taggenau ab Todestag. Eine rechtzeitig erhobene Stufenklage kann die Verjährung hemmen, auch wenn die genaue Höhe des Pflichtteils noch nicht bekannt ist. Bestens beraten. www.zeitler.law