Im Unternehmen müssen in Zukunft die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 – 1 ABR 21/22, Pressemitteilung Nr. 35/22, entschieden. In dem konkreten Fall wollte der Arbeitgeber eine elektronische Arbeitszeiterfassung einführen. Da eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht zustande kam, fror der Arbeitgeber seinen Vorhaben ein. Der Betriebsrat war jedoch der Ansicht, dass er auch gegen den Willen des Arbeitgebers die Einführung eines Zeiterfassungssystems im Rahmen seines Mitbestimmungsrechtes gerichtlich einfordern könne. Der Betriebsrat beantragte deshalb vor dem Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle. Der Antrag des Betriebsrats auf gerichtliche Einsetzung der Einigungsstelle wurde in der ersten Instanz durch das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats setzte das Landesarbeitsgericht Hamm die Einigungsstelle jedoch ein. Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hin, hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung aufgehoben, da dem Betriebsrat hinsichtlich der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung kein Initiativrecht zusteht. Der Arbeitgeber hat das konkrete Verfahren gegen den Betriebsrat zwar gewonnen, jedoch hat das BAG zugleich ausdrücklich festgestellt, dass Arbeitgeber bereits gesetzlich verpflichtet sind, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Das BAG begründet dies mit der europarechtskonformen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, was eine offensichtliche Bezugnahme auf das bekannte „Stechuhr-Urteil“ des EuGHs vom 14.05.2019 (Az.: C-55/18) darstellt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14.5.2019 festgestellt, dass Arbeitgeber in den Mitgliedsstaaten verpflichtet werden sollen, Systeme einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, da ohne ein solches System die Ermittlung der tatsächlich geleisteten täglichen Arbeit, einschließlich Beginn und Ende der Arbeitszeit, sowie etwaiger Überstunden, nicht in einem zuverlässigen Maße ermittelt werden kann. Die Entscheidung des BAG – eine ausführliche Begründung steht noch aus – wird als Paukenschlag bezeichnet, da sie weitreichende Folgen insbesondere für Vertrauensarbeitszeitmodelle und Home-Office-Regelungen haben wird. Bislang bestand nach dem Arbeitszeitgesetz für den Arbeitgeber nur die Pflicht, Überstunden zu erfassen gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG. Arbeitgeber, die bislang keine Arbeitszeiten erfasst haben, müssen nun tätig werden. Das BAG gibt in seiner Pressemitteilung Nr. 35/22 bislang keine Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung bekannt, sodass die ausführliche Begründung der Entscheidung mit Spannung erwartet wird. Nach derzeitigem Stand ist sowohl eine elektronische als auch händische Aufzeichnung möglich. Soweit der Mitarbeiter seine Arbeitszeiten künftig selbst erfasst, obliegt dem Arbeitgeber eine Kontrollpflicht. Konsequenz der Entscheidung ist, dass die Stechuhr aller Voraussicht nach ein „Come Back“ erleben wird. Lassen Sie sich beraten bei Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Sandra Gebhart-Rösch, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Zeitler. Bestens beraten. www.zeitler.law