Nach § 2258 Abs. 1 BGB wird ein früheres Testament durch ein späteres Testament grundsätzlich aufgehoben, soweit das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Ein ausdrücklicher Aufhebungswille des Erblassers ist nicht erforderlich. Oftmals werden Testamente umgeschrieben, abgeändert, neu aufgesetzt. Dies kann vielerlei Gründe haben. Ein häufig anzutreffender Fall ist zum Beispiel die Änderung eines Testaments, weil sich das Verhältnis der Kinder zu den Eltern im Laufe der Zeit ändert und die Eltern dies in ihrem Testament berücksichtigen wollen. Der Sohn beispielsweise radikalisiert sich und wird Anhänger des IS oder will Aussteiger in Thailand werden, die Tochter macht Millionen als Hedgefonds Manager, während die Geschwister von der Sozialhilfe leben. Und dann – wie das Leben so spielt – ändert sich alles. Der Sohn wird Buchhalter, die Tochter verliert ihr Geld, die Geschwister gewinnen im Lotto. Die Eltern ändern mit jeder Entwicklung ihrer Kinder das Testament, schreiben es neu, angepasst an die aktuellen Lebensverhältnisse. Fein säuberlich werden die alten Testamente durchgestrichen und im Ordner „Nachlass-Testament“ abgeheftet mit dem Vermerk „ungültig“. Die Mutter stirbt, der Vater gelangt zu dem Entschluss, dass die Kinder die „alten“ Testamente nicht lesen dürfen. Sie sollen nicht sehen, wie das „Testamentsschicksal“ vom „Kinderschicksal“ abhing. Der Vater will daher den Ordner mit den „alten“ Testamenten vernichten. § 2259 BGB verbietet dies! Diese Bestimmung begründet eine Ablieferungspflicht an das Nachlassgericht für alle Schriftstücke die nach Form oder Inhalt eine Verfügung von Todes wegen des Erblassers sein können, unabhängig davon, ob sie als solche auch sachlich und formell gültig, offen oder verschlossen sind. Diese Ablieferungspflicht gilt somit auch für durchgestrichene und widerrufene Testaments-urkunden, aber auch für alle Schriftstücke, die in irgendeiner Weise dahin deuten, ein Testament zu sein. Dies könnte sogar ein Bierdeckel sein, wenn der Erblasser hierauf eine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Allein das Gericht entscheidet, ob ein Schriftstück Testament ist und den gesetzlichen Anforderungen genügt, gültig, widerrufen oder gegenstandslos ist. Diese Ablieferungspflicht ist sogar strafrechtlich geschützt (§ 274 StGB). Dies soll der Versuchung, Testamente „verschwinden“ zu lassen, begegnen. Der Testamentsersteller kann daher zu Lebzeiten nur eins tun, wenn er verhindern will, dass die Erben nach seinem Tod die alten Testamente „studieren“ und die Lebensgeschichte diskutieren: er muss sie vernichten. Vernichten bedeutet dabei verbrennen, schreddern, entmüllen o. ä. Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, den Rechtsrat eines Notars oder eines Rechtsanwalts einzuholen oder diesem das „alte“ Testament zur Vernichtung zu geben. Was ist aber, wenn ein (gültiges) Testament nicht mehr auffindbar ist? Oder anders gesagt, der Erblasser hat das Testament nicht widerrufen, sondern das Testament ist verschwunden. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Im Falle der Unauffindbarkeit eines Testaments besteht auch keine gesetzliche Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden ist und deshalb gemäß § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist. Allerdings ist derjenige, der sich auf dieses Testament beruft, darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich der formgültigen Errichtung und des Inhalts des Testaments. So kann im Einzelfall eine Kopie als Nachweis ausreichen. Im Allgemeinen stellt die Rechtsprechung jedoch sehr strenge Anforderungen an einen solchen Nachweis. Auch in diesen Fällen ist ein Notar oder Rechtsanwalt der richtige Ansprechpartner.