Im Juni 2023 erreichte die Insolvenzrate der Unternehmen in Deutschland den höchsten Stand seit 2016. Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens liest man oft den Satz: „Das Unternehmen hat Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt“. Jüngste Beispiele sind der Antrag eines oberfränkischen Spielwarenherstellers oder der Antrag der SB-Warenhauskette Mein Real. Handelt es sich bei der Eigenverwaltung tatsächlich um ein Insolvenzverfahren? Die Frage kann eindeutig mit Ja beantwortet werden. Die Eigenverwaltung stellt allerdings ein Insolvenzverfahren dar, bei dem anstelle des Insolvenzverwalters der Schuldner selbst, unter der Aufsicht eines Sachwalters, die Aufgaben der Insolvenzverwaltung übernimmt. Aus diesem Grund wird ein Verfahren in Eigenverwaltung auch nur grundsätzlich auf Antrag des Schuldners (also des Unternehmens) eingeleitet. Im „normalen“ Insolvenzverfahren tritt der Insolvenzverwalter formal an die Stelle der Geschäftsführung und trifft die wesentlichen Entscheidungen. Als Beispiele können hier genannt werden, die Fortführung des Geschäftsbetriebes, der Verkauf des Unternehmens oder Sanierungsmaßnahmen. In der Praxis handelt hier allerdings der Insolvenzverwalter auch nicht allein, sondern stimmt sich mit der Geschäftsführung sowie mit den Gläubigern des schuldnerischen Unternehmens ab. Im Fall der Eigenverwaltung sieht es anders aus. Dort behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen. Die Geschäftsführung behält – bildlich gesprochen – das „Ruder“ in der Hand, wobei sie häufig durch einen Experten auf dem Gebiet der Sanierung unterstützt wird. Die Geschäftsführung nimmt folglich wesentliche Aufgaben wahr, die im „normalen“ Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter wahrgenommen werden. Vom Gericht wird jedoch ein „Aufpasser“ bestellt, der sogenannte Sachwalter, der das schuldnerische Unternehmen beaufsichtigt und sicherstellt, dass die Grundsätze der Insolvenzordnung eingehalten werden. Welche Vorteile bietet eine Eigenverwaltung? Ein Vorteil kann darin liegen, dass die bisherige Geschäftsführung die Zukunft des Unternehmens im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften mitbestimmen kann. Kundennähe und Ansprechpartner bleiben erhalten, Unternehmensabläufe können ggfls. beibehalten werden usw. In aller Regel verfolgt die Eigenverwaltung das Ziel, das Unternehmen durch Vorlage eines Insolvenzplans zu sanieren. Hier kann den Gläubigern eine quotale Befriedigung ihrer Forderung angeboten werden, gegen Verzicht auf die Restforderung. Mitunter wird jedoch auch eine Investoren-Lösung gesucht, mit der ein Investor am Unternehmen beteiligt oder das Unternehmen auf einen solchen übertragen wird. Entscheidet sich ein Unternehmer für die Eigenverwaltung, muss er diese sorgfältig vorbereiten, um die Ziele, z.B. die Sanierung zu erreichen. Insbesondere ist ein Finanzplan für die nächsten sechs Monate zu erstellen sowie ein Konzept für die Durchführung des Verfahrens. Weiter muss das Unternehmen darlegen, dass die insolvenzrechtlichen Pflichten erfüllt werden und die Kosten nicht über denen eines Regelinsolvenzverfahren liegen. Zeichnet sich eine Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ab, kann die Eigenverwaltung ein Weg sein, die Zukunft eines Unternehmens neu zu gestalten.