Spätestens im Herbst, wenn das neue Schuljahr beginnt, werden die Autofahrer mit großen Bannern „Schulanfang: Achtung Kinder!“ zur Rücksichtnahme aufgefordert und für die Gefahren der Kleinsten im Straßenverkehr sensibilisiert. Insbesondere kleine Kinder sind in ihrem Gesichtsfeld im Vergleich zu Erwachsenen deutlich eingeschränkt und können daher Gefahren schlechter erkennen. Hinzu kommt, dass Geräusche anders wahrgenommen werden und deshalb diese oftmals nicht sicher unterschieden werden können. Auch fehlt es schlichtweg an Erfahrung, um Geschwindigkeiten und Distanzen im Straßenverkehr richtig einschätzen können. Doch wer haftet eigentlich, wenn Kinder aufgrund dieser Umstände in einen Verkehrsunfall verwickelt werden? Gemäß § 828 BGB besteht für Kinder unter sieben Jahren grundsätzlich keine Haftung. Dies gilt auch für Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, wenn der Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde. Darüber hinaus haften Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nur, wenn sie bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben. Das OLG Celle (Urteil v. 19.05.2021, Az. 14 U 129/20) hatte nunmehr die Frage zu entscheiden, ob einem elfjährigen Kind ein Mitverschulden anzulasten ist, wenn es beim unvorsichtigen Überqueren einer Straße von einem Fahrzeug erfasst wird. Das Mädchen wollte vor Schulbeginn den Anschluss an ihre drei Freunde nicht verlieren und überquerte die Straße, ohne ausreichend auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Daraufhin hatte sie den Fahrzeugführer und dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Das Gericht entschied nun, dass der Elfjährigen kein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden könne. Zwar hatte sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit, die Gefährlichkeit ihrer Handlung zu erkennen. Doch ist das Verschulden anhand eines objektiven Maßstabs zu bewerten, ob das Mädchen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe. Hierbei sind neben dem Alter auch die konkrete Unfallsituation zu berücksichtigen. Insbesondere kommt es darauf an, ob Kinder gleichen Alters und Entwicklungsstufe die Gefahr hätten erkennen müssen und sich entsprechend anders verhalten hätten. Das Gericht verneinte dies im vorliegenden Fall. Da sich bereits drei vorausgehende Kinder auf der Fahrbahn befanden, sei eine Gruppendynamik entstanden, nicht als einziges Kind zurückzubleiben. Bereits das OLG Oldenburg (Az. 8 U 229/03) stellte fest, dass gerade bei Gruppenbildung minderjähriger Verkehrsteilnehmer mit Abgelenktheit und Unachtsamkeit einzelner Kinder zu rechnen ist. Zudem war es zum Unfallzeitpunkt dunkel, was das Abschätzen der Geschwindigkeit und der Entfernung des herannahenden Fahrzeugs erschwerte. Insofern lag ein Augenblicksversagen vor, das bei der Elfjährigen in der konkreten Situation kein Verschulden begründen könne. Der geschilderte Fall verdeutlicht, dass es gerade bei der Haftungsfrage von Unfällen mit Kindern auf die Betrachtung des konkreten Einzelfalles ankommt, in der sämtliche Einzel- und Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Eine verlässliche Einschätzung kann daher nur durch eine spezialisierte Kanzlei erfolgen. Diese sollte von Anfang an einbezogen und mit der Abwicklung betraut werden. Nur so lassen sich Nachteile für Betroffene vermeiden.