Beim Tod eines nahen Verwandten sehen sich Angehörige nicht selten damit konfrontiert, dass sie vom Erblasser nicht ausreichend bedacht wurden bzw. durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden. In solchen Fällen steht Angehörigen gemäß § 2303 BGB ein sogenannter Pflichtteilsanspruch zu. Dieser ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass des Verstorbenen und sorgt dafür, dass bestimmte gesetzliche Erben - nämlich die Abkömmlinge und der Ehegatte des Erblassers - nicht „leer ausgehen“. Eine vollständige Enterbung, also die Entziehung des Pflichtteils, ist nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig. Geltend gemacht werden muss der Pflichtteilsanspruch gegen den bzw. die Erben. Der Pflichtteilsberechtigte muss selbst tätig werden und aktiv den Pflichtteil gegenüber den Erben einfordern. Er stellt eine reine Geldforderung dar, der Pflichtteilsberechtigte hat also keinen Anspruch auf Zuwendung von einzelnen Gegenständen aus dem Nachlass. Bei der Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs muss auf erster Stufe geklärt werden, wie hoch der tatsächliche Wert des Nachlasses ist. Der Bestand des Nachlasses ergibt sich aus dem Vergleich der im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Aktiva und Passiva. Es muss also das Vermögen, bestehend aus Geldvermögen, Grundstücken, Wertpapieren, Schmuck, etc., den etwaigen Schulden des Erblassers gegenübergestellt werden. Da der Pflichtteilsberechtigte diesen Wert in der Regel nicht kennt, steht ihm gegenüber dem Erben ein umfassendes und auch einklagbares Auskunftsrecht gem. § 2314 BGB zu. Dieses Auskunftsrecht umfasst auch, dass der Erbe die Sachwerte von z.B. Immobilien durch Gutachten schätzen lassen muss. Ebenfalls von dem Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten umfasst, sind Schenkungen des Erblassers, mittels welchen dieser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod sein Vermögen geschmälert hat. Diese Schenkungen können bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten führen. Wenn der Wert des Nachlasses feststeht, kann der Pflichtteilsberechtigte anschließend seinen Anspruch gegen den Erben entsprechend seiner Pflichtteilsquote berechnen und einfordern. Der Anspruch beträgt die Hälfte des Wertes, der dem Pflichtteilsberechtigten laut gesetzlicher Erbfolge zusteht, ist also vom Verwandtschaftsverhältnis abhängig. Zunächst sollte eine gütliche Einigung angestrebt werden. Weigern sich die Erben aber, den Pflichtteil auszuzahlen, kann der Pflichtteilsberechtigte diesen einklagen. Der Anspruch muss spätestens innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden, da dieser sonst verjährt. Oftmals ist die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegenüber den Erben mit erheblichen Problemen verbunden. So werden hier nicht selten emotionale Streitigkeiten aus Kindertagen unter Geschwistern ausgetragen. Gleichzeitig kann die Belastung des Erben mit Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen für diesen häufig zu wirtschaftlichen Problemen führen. Denn reichen die Barmittel des Erben nicht aus, um den Pflichtteil auszuzahlen, muss er Sachwerte, wie beispielsweise Immobilien, aus dem Nachlass verkaufen. Es empfiehlt sich also, bereits zu Lebzeiten durch die Wahl der richtigen Nachfolgegestaltung dafür Sorge zu tragen, dass solche Streitigkeiten unter Verwandten nach dem Tod nach Möglichkeit erst gar nicht entstehen.