Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (IV ZR 16/19) die Rechte enterbter naher Angehöriger erneut gestärkt und hebt bisher geltende gesellschaftsrechtliche Besonderheiten teilweise auf. Der Fall Geklagt hatte der Sohn gegen die Stiefmutter. Der Vater war mit ihr in zweiter Ehe verheiratet, er verstarb 2017. Der Vater und seine zweite Ehefrau schlossen sich zuvor zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen und erwarben für diese, über mehrere Jahre hinweg, zahlreiche Eigentumswohnungen, insgesamt ging es um Immobilien im Wert von über 3 Millionen Euro. Der Trick Im Gesellschaftsvertrag vereinbarten der Vater und seine zweite Ehefrau, dass die Gesellschaft mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst wird. Dabei sollte der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden anwachsen und die Erben sollten keine Abfindung, demzufolge der Sohn keinen Pflichtteil an den Immobilien erhalten. Die Regelung folgt dem Grundsatz: „Gesellschaftsrecht bricht Erbrecht“. Mit diesem Grundsatz soll eine Existenzgefährdung von Unternehmen aufgrund von Ansprüchen der Erben verstorbener Gesellschafter vermieden werden. Auf diesem Weg sollten hier Pflichtteilsansprüche des Sohnes umgangen werden, indem die Stiefmutter am Erbrecht vorbei die Immobilien über das Gesellschaftsrecht erlangen sollte. Ist die GbR in diesem Fall schutzwürdig? BGH sagt Nein In der vorliegenden Konstellation hat das Erbrecht Vorrang. Die GbR bestand nur aus zwei Personen, diente ausschließlich der Vermögensverwaltung und wurde durch den Erbfall aufgelöst. In diesem Fall sind die gesellschaftlichen Vereinbarungen für den Todesfall nachrangig. Daher kann auch ein Pflichtteilsanspruch, hier wegen der Schenkung als sogenannter Ergänzungspflichtteil, entstehen. Damit hob der Bundesgerichtshof den Vorrang gesellschaftsrechtlicher Vereinbarungen vor erbrechtlichen Folgen in dieser Konstellation auf. Rechte des Sohnes Aufgrund dieser Entscheidung kann der Sohn nun seinen Pflichtteil auch bezüglich der Immobilien geltend machen. Zunächst steht dem Sohn grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft gegen die Erben zu. Er kann auch ein amtliches Nachlassverzeichnis fordern und bei begründeten Zweifeln die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor Gericht fordern, dass die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig erfolgt ist. Dieser vorbereitende Anspruch war übrigens Auslöser der genannten Entscheidung des BGH. Nach erteilter Auskunft kann der Sohn einzelne Vermögensgegenstände, hier im Fall die Immobilien, genau bezeichnen und eine fachmännische Wertermittlung durch Sachverständigengutachten von den Erben fordern. Die Kosten für Auskunft und Wertermittlung zahlt der Nachlass. Liegen Auskunft und Wertermittlung vor, dann kann der Sohn seinen Pflichtteil nun berechnen. Der Pflichtteil ist die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Zahlungsanspruch. Reicht der Nachlass für den Pflichtteil nicht aus, weil Vermögen, hier die Immobilien, vorher verschenkt wurden, dann haftet der Beschenkte mit dem Geschenk. Auch wenn die Stiefmutter also nicht Erbin geworden wäre, müsste sie letztlich mit einer Haftung auf die Pflichtteilsergänzung rechnen. Verjährung Der Sohn hat insgesamt drei Jahre ab dem Erbfall Zeit, bevor seine Ansprüche verjähren. Gelingt eine Erledigung in dieser Zeit nicht, muss eine Hemmung der Verjährung rechtzeitig herbeigeführt werden. Dies geschieht in der Regel durch Erhebung einer Klage vor Gericht, wie im vorliegenden Fall. Da Auskunft und Wertermittlung in der Praxis mehrere Jahre dauern können, insbesondere bei einem amtlichen Verzeichnis und umfangreichen Gutachten, ist es wichtig, den Pflichtteil rechtzeitig zu verfolgen. Besondere Kenntnisse und Erfahrungen haben Fachanwälte für Erbrecht. Bestens beraten. www.zeitler.law