Nahe Angehörige, die enterbt wurden, gehen nicht leer aus. Sie haben Anspruch auf den Pflichtteil. Der Bundesgerichtshof (BGH IV ZR 174/20) hat darüber entschieden, ob Grabpflegekosten den Pflichtteil schmälern. Was ist der Pflichtteil? Die gesetzliche Erbfolge bestimmt, wer nach Ihrem Tod das gesamte Vermögen erhält und die Gesamtrechtsnachfolge antritt. Von dieser gesetzlichen Erbfolge kann man durch Testament oder Erbvertrag abweichen. Diese Testierfreiheit ist jedoch eingeschränkt. Denn bestimmte nahe Angehörige erhalten im Falle deren Enterbung ein Recht auf Auszahlung des Pflichtteils als wirtschaftliche Mindestteilhabe am Familienvermögen. Wer bekommt den Pflichtteil? Pflichtteilsberechtigt sind der Ehepartner sowie die Kinder des Erblassers. Sind Kinder vorverstorben, treten deren Nachkommen an ihre Stelle. Die Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Kinder vorhanden sind. Geschwister und alle anderen Verwandten haben keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Wie hoch ist der Pflichtteil? Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Man stellt sich also folgende Frage: Was hätte die enterbte Person ohne Testament bei gesetzlicher Erbfolge wertmäßig geerbt? Die Hälfte davon ist der Pflichtteil. Bei teilweiser Enterbung steht dem Pflichtteilsberechtigten bis zur Höhe seines Pflichtteils ein Zusatzpflichtteil zu. Grabpflegekosten ? Bei der Berechnung werden vom Aktivvermögen die Passiva abgezogen. Zu diesen Nachlassverbindlichkeiten gehören alle Schulden, die der Erblasser noch selbst begründet hat, beispielsweise Verbraucherdarlehen. Zu den Passiva gehören ebenfalls die Kosten einer standesgemäßen und ortsüblichen Beerdigung. Hiervon erfasst werden die Kosten des Bestattungsaktes, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte findet. Aber was ist mit den Kosten der Grabpflege? Sind diese Kosten bei der Berechnung des Pflichtteils abzuziehen? Der Fall vor dem BGH Die Erblasserin war im zu entscheidenden Fall ledig und hinterließ einen Sohn. Im Nachlass waren (vereinfacht) ca. 16.000 € Barvermögen. Die Beerdigungskosten betrugen ca. 6.000 €, Grabpflegekosten auf 20 Jahre ca. 10.000 €. Der Sohn war durch Testament im Wesentlichen enterbt worden und forderte seinen Pflichtteil. Als einziger Nachkomme wäre er Alleinerbe (100 %) geworden, sein Pflichtteil ist die Hälfte, somit 50 %. Wenn die Grabpflegekosten zu den Passiva gehören, dann bekommt er keinen Pflichtteil, andernfalls verbleiben von den 16.000,- € nach Abzug der Beerdigungskosten noch 10.000,- €, von denen der Sohn 50 % als Pflichtteil erhält. Gehören die Grabpflegekosten zu den abzugsfähigen Passiva? BGH sagt nein Die Kosten der Grabpflege beruhen nach Ansicht des BGH nicht auf einer rechtlichen, sondern auf einer sittlichen Pflicht. Sie sind daher nicht abzuziehen. Die Grabpflege sei grundsätzlich Aufgabe der nächsten Angehörigen, die nicht identisch sein müssen mit den Erben. Nach dem Gesetz haften die Erben nur für die eigentlichen Beerdigungskosten, aber nicht für die Grabpflege. Daran ändere sich auch nichts, wenn im Testament die Grabpflege angeordnet wurde. Auch die Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung im Rahmen der Erbschaftsteuer sei für das Zivilrecht irrelevant. Eine Möglichkeit wäre der lebzeitige Abschluss eines Grabpflegevertrages gewesen, denn dann würden abzugsfähige Erblasserschulden vorliegen, was hier jedoch nicht der Fall war. Dem enterbten Sohn steht somit noch eine Zahlung zu. Bestens beraten. www.zeitler.law