Was tun, wenn… ? Das fragen sich wohl viele Angehörige, wenn ein geliebter Mensch Anzeichen einer Depression zeigt. Wie spreche ich das Problem an? Wie verhalte ich mich? Wo gibt es Hilfe? Dr. Johannes Kornacher ist Leitender Oberarzt des Depressionszentrums am Bezirkskrankenhaus Bayreuth und erklärt: Was tun, wenn mein Angehöriger depressiv ist. Was sind für mich als Angehöriger sichere Anzeichen für die Erkrankung? Dr. Johannes Kornacher: Wirklich sichere Anzeichen gibt es nicht. Wohl aber Hinweise: Wenn sich beispielsweise jemand binnen kurzer Zeit stark verändert, sich plötzlich zurückzieht und Kontakte meidet, reizbarer wird, sich störende Verhaltensauffälligkeiten einstellen oder Alkohol- und Drogen-konsum auf einmal eine Rolle spielen. Welche Schritte sind einzuleiten? Das Wichtigste ist, nicht wegzusehen und den Betroffenen nicht alleine zu lassen. Zeigen Sie eine offene Haltung und machen Sie damit dem Betroffenen Mut, sich zu öffnen. Häufig haben psychisch Erkrankte Angst, gemieden oder verurteilt zu werden, weil sie so (geworden) sind wie sie sind. Sie fürchten Nachteile, wenn „herauskommt“, dass sie „etwas an der Psyche“ haben. Sie fürchten, als „nicht ganz in Ordnung“ zu gelten. Und sie glauben oft, dass diese Veränderungen und die entstehenden Probleme durch eigenes Versagen entstanden seien, und dass man selbst daran schuld sei. Wie spreche ich mit dem Betroffenen? Dr. Johannes Kornacher: Ein Vertrauen schaffendes Vorgehen und eine offene, verständnisvolle Haltung sind eine gute Basis, ein gelingendes und hilfreiches Gespräch zu führen. Viel ist gewonnen, wenn man dem Gegenüber signalisiert: „Ich habe den Eindruck, dass es dir nicht gut geht und sorge mich um dich“. Auch die offene Rückmeldung, dass man das Verhalten des anderen zwar nicht versteht, erklärende Worte aber helfen könnten. Auch die Versicherung, dass mit Informationen sorgsam umgegangen werde, kann eine Brücke bauen. Wichtig ist auch, dass man überzeugt ist von dem, was man sagt und eine ruhige und von Fürsorge getragene Haltung ausstrahlt. Auch der Hinweis, dass man ohne Zustimmung des Betroffenen keine Information weitergeben werde, schafft Vertrauen. Wie gehe ich behutsam vor, um den Betroffenen nicht zu überfordern/entmündigen? Dr. Johannes Kornacher: Schuldzuweisungen, an wen auch immer, vor allem aber natürlich an die Betroffenen, zerstören eine gemeinsame Basis und haben in diesem Zusammenhang nichts verloren. Oft genug werfen sich Betroffene dies selbst vor oder haben Vorwürfe erfahren. Häufig bringt schon der klare und notfalls wiederholte Verweis darauf, dass es sich bei schweren Depressionen und Ängsten um krankhafte Zustände und keine leichten Befindlichkeitsstörungen handelt, eine große Erleichterung und Entlastung. Auch dass man diese durch den eigenen Willen nur noch schwer oder gar nicht mehr beeinflussen kann und dass sie sich nur durch eine Behandlung bessern lassen. Was kann ich als Angehöriger tun, wenn der Betroffene (noch) nicht einsichtig ist? Dr. Johannes Kornacher: Wichtig ist der Hinweis, dass der Zustand sich nur durch geeignete Behandlung bessern lässt, denn psychische Erkrankungen gehen oft mit der schwer beeinflussbaren Überzeugung einher, dass es keinen Ausweg gebe, dass nichts und niemand mehr helfen könne. Was sollte man keinesfalls tun? Dr. Johannes Kornacher: Suchen Sie nicht nach Schuldigen oder schuldhaftem Verhalten und machen Sie keine Vorwürfe. Und vermitteln Sie nicht das Gefühl, man könne nicht mehr helfen. Wie kann ich das private Umfeld so gestalten, dass es dem Betroffenen hilft? Dr. Johannes Kornacher: Bieten Sie konkrete Hilfe und Entlastung an – nicht nur im Gespräch, sondern auch durch Angebote. Oft fällt es psychisch Kranken schwer, Hilfe anzunehmen oder sich überhaupt zu etwas zu entscheiden und zu Aktivitäten aufzuraffen. Da hilft dann ein freundliches, aber bestimmtes Vorgehen, wie: „Ich schlage dir vor, dich zweimal in der Woche zu besuchen und Zeit mit dir zu verbringen. Wenn du willst, unternehme ich etwas Angenehmes mit dir. Deshalb würde ich gerne übermorgen wieder zu dir kommen.“ Welche Anlaufstellen gibt es für Betroffene? Welche für Angehörige? Wohin wendet man sich zu allererst? Dr. Johannes Kornacher: Erste Anlaufstellen können Beratungsstellen der kirchlichen Träger oder Wohlfahrtsverbände sein, auch die sozialpsychiatrischen Dienste, die es in fast jeder Stadt gibt. Daneben der Hausarzt, der den Betroffenen in verschiedenen Lebenslagen gesehen hat und kennt und vielleicht als erster eine Behandlung einleiten kann. Wenn es dringend ist, ist der Krisendienst Oberfranken telefonisch rund um die Uhr erreichbar. Und natürlich auch psychologische Psychotherapeut*innen oder Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie oder solche für Psychosomatik und Psychotherapie können helfen. Helfen Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige? Dr. Johannes Kornacher: Es gibt Selbsthilfegruppen für depressiv Erkrankte in Bayreuth, die sich im Bezirkskrankenhaus treffen und deren Kontaktdaten dort unter der angegebenen Telefonnummer erfragt werden können. Die Selbsthilfegruppe Angehörige psychisch Kranker (ApK) bietet all denjenigen Entlastung und Hilfe, die durch den täglichen Umgang mit psychisch Erkrankten selbst schwer seelisch belastet sind und dann ihrerseits in Gefahr geraten, psychisch zu erkranken. Bezirkskrankenhaus Bayreuth Depressionszentrum Nordring 2 95445 Bayreuth Telefon 0921 283-0 www.gebo-med.de Krisendienst Oberfranken: 0800 655 3000