Eltern, die ihre Kinder auf Überweisung oder eigenen Wunsch in der orthopädischen Praxis vorstellen, haben häufig Fragen zum Wachstum, zur Beinachse und Fußstellung oder zur Wirbelsäule. Nicht selten ist aufgefallen, dass das Kind nach innen rotiert läuft, dass eine Vorhalteneigung besteht oder die Wirbelsäule eine fragliche Formabweichung zeigt. In vielen Fällen steckt keine Erkrankung oder Abweichung vom Gesunden dahinter und die ärztliche Aufgabe beinhaltet vor allem Aufklärung, Kontrolle und ggf. eine Verhaltens- und/oder Sportberatung. Hierfür ist bei Kindern und Jugendlichen, die sich im Wachstum befinden, in der Regel eine ganzheitliche Untersuchung erforderlich. Um Auffälligkeiten oder Erkrankungen im Wachstumsalter zu erkennen und in den Kontext des gesamten Körpers zu setzen, sollten nicht nur einzelne Gelenke betrachtet werden sondern auch der Körperbau, das Achsskelett und die Extremitäten in ihrem Zusammenspiel untersucht werden. Um die wichtigsten Aspekte einer orthopädischen Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen durchzuführen, sollte diese strukturiert sowie standardisiert erfolgen. In der Kinder und Jugendmedizin werden seit vielen Jahren U- und J-Vorsorgeuntersuchungen angeboten und empfohlen. Der Bewegungsapparat wird zwar berücksichtigt, nicht selten fallen jedoch Fragestellungen auf, die dann vom Orthopäden zu klären sind. Da bisher jedoch noch keine orthopädischen Kinder- und Jugendvorsorgeuntersuchungen angeboten wurden, findet seit 2021 in Baden-Württemberg das Pilotprojekt „Orthokids“ statt. Hier werden Kinder zwischen 10 und 14 Jahren mittels Fragebogen und festgelegtem Untersuchungsgang orthopädisch untersucht und alle wichtigen Aspekte einer möglichen Erkrankung oder Fehlbildung kontrolliert. Der Schwerpunkt liegt insbesondere in der Kontrolle und Erkennung einer möglichen Wirbelsäulenveränderung, dem Verlauf einer Hüftgelenksdysplasie im Säuglingsalter und der Vermeidung von krankhaften Fehlstellungen der Beine und Füße. Werden im Alter von 10 bis 14 Jahren Auffälligkeiten oder gar Erkrankungen erkannt sind diese häufig mit vergleichsweise einfachen Methoden therapierbar. Eine Verschlechterung bzw. Beeinträchtigung im fortgeschrittenen Lebensalter kann so vermieden oder zumindest abgemildert werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Hilfestellungen zur Ernährung und Sport zu geben. Bezüglich des zunehmenden Problems Übergewicht wird ggf. eine Ernährungsberatung und spezielle technische Untersuchungen angeboten. Viele Kinder sind bereits im frühen Kindes- und Jugendalter sportlich aktiv im Verein organisiert oder betreiben sogar Leistungssport. Hier stecken viele Gefahren für ein im Wachstum befindliches Skelett durch die Belastung der jeweiligen Sportart und möglichen Sportverletzungen. Empfehlungen zur Vorbereitung und achtsamer körperlicher Betätigung können in die Untersuchung mit einbezogen werden. Untersuchungen zur Vorsorge können je nach Wunsch oder Befund instrumentell erweitert werden, funktionelle apparative Untersuchungen der Wirbelsäule mit und ohne Röntgen, eine radiologische Verlaufskontrolle der Hüften sowie Ultraschalluntersuchungen sind bei Bedarf möglich. Moderne Verfahren, wie Ganganalysen oder Pedobarografie (Fussdruckmessung), erkennen Fehler im Bewegungsablauf oder ergänzen die Prophylaxe. Im Anschluss erhalten die Kinder eine Auswertung und evtl. zu speziellen Befunden hilfreiches Begleitmaterial. Der Schritt von der Kinder- und Jugendvorsorge, hin zur Erwachsenenprophylaxe, als orthopädischen Gesundheitscheck liegt nahe. Wie bei der gynäkologischen, urologischen oder kardiologischen Vorsorge wird nicht selten die Frage nach einer orthopädischen Vorsorgeuntersuchung gestellt. Bisher stehen hier keine Fragebögen oder allgemeine Standards zur Verfügung. Generell können, wie bei der Kinder- und Jugendprophylaxe strukturiert mit Anamnese-Untersuchung und erweiterten apparativen Methoden, wesentliche Fragen des Erwachsenenalters geklärt werden. Fehlstellungen, Sportbelastungen, Stoffwechselerkrankungen, bis hin zur Osteoporose, können vorbeugend geklärt und falls erforderlich frühzeitig behandelt werden. Hierbei finden nach Erfordernissen ebenfalls funktionelle Wirbelsäulenuntersuchungen, Sonografie, Pedobarografie und laborchemische Untersuchungen statt. Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern, Jugendlichen als auch bei Erwachsenen sind derzeit keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Wünschenswert wäre eine Vorsorge wie sie zum Beispiel in der Gastroenterologie, Dermatologie oder Gynäkologie, bereits existiert. Bestehen Bedenken oder einfach der Wunsch nach einer Prävention auf orthopädischem Gebiet wird der orthopädische Facharzt einen gesonderten Termin als privatärztliche oder Selbstzahlerleistung für Sie oder Ihr Kind vereinbaren.