Unsere Gesellschaft und unser Lebensstil verändern sich rasch. Im Berufsleben wird, trotz steigender Belastung, Stress und Hektik eine Arbeitsfähigkeit bis zum 67. Lebensjahr gefordert; zeitgleich ändert sich auch unser Freizeitverhalten: Sport, Reisen, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bis ins hohe Alter, sind selbstverständlich. Folglich wächst nicht nur der Wunsch, sondern auch die Notwendigkeit gesund, mobil aber auch leistungsfähig älter zu werden. Dank moderner Medizin können Erkrankungen, die noch vor wenigen Jahrzehnten zu körperlichen Leiden oder zum Rückzug aus einem aktiven Leben führten, zunehmend gelindert, gebremst oder gar kuriert werden. Infolgedessen hat sich auch die Orthopädie in Diagnostik und Therapie des Bewegungsapparates weiterentwickelt. Deutschlandweit werden jährlich über 300.000 Endoprothesen am Hüft- und über 190.000 am Kniegelenk eingesetzt. Deutschland reiht sich somit in die vorderen Plätze der weltweiten Operationsstatistiken ein. Errechnet man die sogenannte Inzidenz, so unterziehen sich jährlich 309 von 100.000 Menschen einem Gelenkersatz an der Hüfte und 223 am Knie. Im Vergleich werden über 400 bauchchirurgische Eingriffe und über 250 Kaiserschnitte pro 100.000 Einwohner durchgeführt. Ein Ersatz an Knie und Hüfte erfolgt vorwiegend aufgrund der Arthrose mit dem Verlust der Knorpelschicht des Gelenkes. Dies führt zur mechanischen Veränderung des Gelenkkörpers und es folgen Schwellung, Bewegungsabnahme und vor allem Schmerzen. Die Arthrose als hauptsächliche Ursache einer Gelenk-Endoprothese stellt keine lebensbedrohliche Erkrankung dar, verursacht aber eine zunehmend leidvolle Bewegungs- und Alltagseinschränkung. Zusätzlich gilt als gesichert, dass der arthrotische Verschleiß – anders als viele innere Erkrankungen – jeden von uns betreffen wird. Wann und in welchem Umfang, ist von Patienten zu Patienten verschieden. Allgemeinmedizinische Maßnahmen mit Schonung, Schmerzmittel, Hilfsmittel usw. stellen die Basistherapie dar. Erweiterte orthopädische Maßnahmen wie Gelenkinfiltrationen (Eigenblut, Hyaluron), Schuh- und Einlagenversorgung, Bewegungsschule oder Akupunktur, finden oft fachärztlich in fortgeschritteneren Krankheitsstadien statt. Ist die konservative Behandlung ausgereizt, ergeben sich folgende Fragen: Wann ist der Zeitpunkt für eine Operation gekommen? Verursachen die Beschwerden trotz konservativer Therapie eine zu große, nicht akzeptable Einschränkung in Beruf, Alltag oder Aktivität? Hier liegt bereits eine Antwort auf die Operationszahlen. Es gibt nicht mehr nur die „eine“ Prothese. Individuell an die Bedürfnisse, das Alter und das Erkrankungsbild des Patienten angepasst stehen sowohl Vollprothesen als auch Teilersatz-Prothesen für verschiedene Gelenkbereiche zur Verfügung. Schonendere Operationstechniken wie z.B. die minimalinvasive Hüft-Endoprothetik verkürzen die Therapiedauer. Überleitend stellen sich die Fragen nach der Dauer und mögliche Risiken eines Gelenkersatzes. Die Operation gilt als „großer orthopädischer Eingriff“. Demzufolge sind leider auch Komplikationen möglich, welche bei der Operationsvorbereitung klar angesprochen und aufgeklärt werden müssen. Von Bedeutung sind vor allem Alter, Gesundheitszustand und individuelle Risiken, die der Patient für eine Operation mitbringt. Auch hier haben sich die Grenzen verschoben. Im Alter von 70 bis 79 werden 40 Prozent der Eingriffe durchgeführt. Insbesondere durch die ganzheitliche Vorbereitung, flexible Narkoseverfahren und eine standardisierte Nachbehandlung können die Liegezeit verkürzt, eine frühe Mobilisierung ermöglicht und eine effektivere Schmerztherapie erreicht werden. Die Haltbarkeit einer Hüft- bzw. Kniegelenks-Endoprothese wird derzeit mit 90 Prozent über zehn Jahre beziffert. Abschließend bleibt die Frage, welche Verbesserung kann sich der Patient von einem Gelenkersatz erwarten? In jedem Fall soll eine ausreichende Alltags- und Berufsbelastung als auch eine weitestgehende Sportbelastung erreicht werden. Längere Gehstrecken, mehr Körperbeweglichkeit als auch eine Reduktion oder gar komplette Schmerzlinderung mit dem Wiedererhalt einer zufriedenstellenden Aktivität ist das Ziel. Zusammenfassend kann man die bestehenden Operationszahlen nicht nur mit dem steigenden Alter, den höheren Aktivitätsansprüchen und den Möglichkeiten unseres Gesundheitssystems erklären, sondern auch mit den zunehmenden Möglichkeiten einer individuellen Versorgung. Eine patientenorientierte Beratung und die Abwägung der medizinischen Voraussetzungen ist die Grundlage der Therapie. Eine Operation ist stets die Entscheidung mit und vom Patienten. Der Zeitpunkt muss ausbalanciert zwischen konservativen Optionen und krankheitsbedingten Grenzen gefunden werden, Erwartungen und Möglichkeiten klar benannt sein. Der Gelenkersatz bietet mit den heutigen Maßnahmen eine große Chance, ein beschwerdeärmeres, aktiveres und selbstbestimmtes Leben mit weniger Limits zu führen. Er ist jedoch kein Jungbrunnen, der uns wieder die goldenen 20er des Lebens zurückbringt.