Botulinumtoxin (BTX) ist ein Gift, welches vom Bakterium Clostridium botulinum gebildet wird. Ein Bakterium das ausschließlich in Abwesenheit von Sauerstoff wächst und lebt. Botulinumtoxin kommt in der Natur nahezu überall vor. Bekannt geworden ist es vor allem durch verdorbene Fleisch- und Wurstwaren (botulus zu Deutsch Fleisch/Wurst), bei deren Verzehr die Lebensmittelvergiftung Botulismus verursacht wird. Diese teils lebensbedrohliche Erkrankung wurde bereits im 18. Jahrhundert u.a. von Justinus Kerner erkannt und beschrieben. Das Bakterium selbst kommt weit verbreitet in der Umwelt vor, so sind z.B. auch im Honig Spuren des Botulinumtoxins enthalten. Der Grund, weswegen der Verzehr für Säuglinge nicht empfohlen wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Alan B. Scott auf Botulinumtoxin aufmerksam und überlegte die Wirkung des Giftes – die Signalübertragung von Nerv auf Muskel zu hemmen und somit eine Muskellähmung herbeizuführen – für medizinische Zwecke zu nutzen. 1980 konnte Scott erstmals die erfolgreiche Behandlung des Strabismus (des Schielens) mittels Botulinumtoxin wissenschaftlich veröffentlichen. Rasch stellten sich weitere Therapieerfolge z.B. bei Muskelkrämpfen oder Spastiken ein. In der richtigen Dosierung angewandt, erwies sich BTX als nahezu ungefährlich und eröffnete auch anderen medizinischen Fachgebieten Möglichkeiten. Botulinumtoxin hielt somit Einzug u.a. in die Neurologie sowie in die Urologie, Orthopädie oder Dermatologie, bis hin zur ästhetischen Medizin. Botulinum kann heute in größeren Mengen im Labor hergestellt werden, wobei von sieben bekannten Formen fast ausschließlich der Typ A Verwendung findet. Botulinumtoxin steht in unterschiedlicher Darreichungsform zur Verfügung und wird in der Regel vor der Anwendung verdünnt, um dann in kleinsten Dosen und Mengen an die zu therapierenden Regionen verabreicht zu werden. Nebenwirkung des stark verdünnten Toxins treten nur selten auf. Die ursprüngliche Vergiftung mit dem klinischen Bild einer Botulismus-Erkrankung ist bei korrekter Anwendung nahezu ausgeschlossen. Die Wirkung entfaltet sich nach wenigen Tagen, hält einige Monate an, und kann regelmäßig wiederholt werden. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei der Therapie um einen sogenannten „off-label-use“. Dies bedeutet, dass die Anwendung für BTX keine grundsätzliche pharmakologische Zulassung trägt. Daher dient es nicht als Therapie der ersten Wahl. Zunächst sollten stets andere Behandlungsmethoden erfolgt und erfolglos gewesen sein, was eine gute Aufklärung über den Behandlungsablauf, sowie eine detaillierte Therapiestrategie zwischen Arzt und Patient erfordert. In der Orthopädie wird Botulinumtoxin z.B. bei therapieresistenten „Fersensporn“ oder chronisch, schmerzhaften „Tennisellenbogen“ eingesetzt, Erkrankungen, bei welchen muskuläre Verkürzungen, hohe Gewebespannungen und somit schmerzhafte Sehnenansatzerkrankungen ursächlich für die Beschwerden sind. Ebenso kann bei langwierigen Muskelverspannungen mit Bewegungseinschränkung und Schmerz eine Linderung erzeugt werden. Therapiemöglichkeiten bestehen darüber hinaus bei Craniomandibulären-Syndromen mit Kopf-Kiefer-Gelenksverspannungen, die durch ein nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) entstehen. Bei ausgeprägter Migräne als auch bei der Schiefhalserkrankung wird BTX angewandt. Abseits der Orthopädie kann eine übermäßige Schweißbildung an Händen und Achseln (Hyperhydrose) gelindert werden. Bekannter ist die Verwendung von Botulinumtoxin jedoch im Bereich der ästhetischen Medizin. Die Augenärztin Jean Carruthers und ihr Ehemann Alastair Carruthers, ein Hautarzt, entdeckten neben der therapeutischen Wirkung einer Besserung von Krämpfen der Augenlider, das „Zufallsprodukt“ der Faltenglättung im Gesicht ihrer Patienten. Aus diesem Effekt entwickelte sich schließlich rasch eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten. Zornesfalten, Sorgenfalten, Krähenfüße, Nasenfalten sind Beispiele für weitere vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Botulinumtoxin steht somit nicht mehr ausschließlich für ein lebensbedrohliches Gift, sondern durch die Weiterentwicklung der Medizin gleichfalls für ein hilfreiches Therapeutikum, mit erweiterten Behandlungsspektrum, dem Patienten zur Verfügung. Bei Kenntnis und Zertifizierung des Arztes für die Anwendung von BTX können einerseits chronische, schmerzhafte Erkrankungen gelindert und andererseits die persönliche Ausstrahlung durch einen frischen Teint gestärkt werden. Botulinumtoxin – von lebensbedrohlicher Erkrankung zu Gesundheit und Selbstbewusstsein.