Veröffentlicht am 07.06.2023 10:50
Veröffentlicht am 07.06.2023 10:50

Nach über 180 Jahren: Jean-Paul-Verein in Bayreuth kurz vor Insolvenz

Jean-Paul-Stift Bayreuth (Foto: Lenkeit)
Jean-Paul-Stift Bayreuth (Foto: Lenkeit)
Jean-Paul-Stift Bayreuth (Foto: Lenkeit)
Jean-Paul-Stift Bayreuth (Foto: Lenkeit)
Jean-Paul-Stift Bayreuth (Foto: Lenkeit)

BAYREUTH. Der Jean-Paul-Verein in Bayreuth befindet sich in einer dramatischen Lage. Dem ältesten diakonischen Verein droht die Insolvenz. Das geht aus einer Mitteilung der Wirtschaftsprüfer des Vereins von Montag (6. Juni 2023) hervor.

Der Insolvenzantrag des Jean-Paul-Vereins ging in der Vorwoche beim Amtsgericht Bayreuth ein. Seitdem befindet sich der Verein in einem sogenannten vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren. Zu den betroffenen Einrichtungen zählen das Pflegeheim „Seniorenstift am Glasenweiher”, das Jugendhilfezentrum „Jean-Paul-Stift” sowie die „Janus-Koczak-Schule”.

Maßgeblicher Grund für die Schieflage des Vereins ist das Fehlen qualifizierter Fachkräfte in den Einrichtungen des Jean-Paul-Vereins.

Jean-Paul-Stift Bayreuth: Insolvenz bedroht

Obwohl der Insolvenzantrag des Jean-Paul-Stifts seit Donnerstag voriger Woche (1. Juni 2023) beim Amtsgericht Bayreuth vorliegt, drohen derzeit weder Schließungen noch Entlassungen von Mitarbeitern. Dr. Franz Sedlak, geschäftsführender Vorstand des Jean-Paul-Vereins wird mit Bezug auf das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren in der Mitteilung wie folgt zitiert: „Wir haben uns diese Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Aber letztlich war der Antrag in der derzeitigen Situation ein notwendiger Schritt, um der Verantwortung für all die Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen, langfristig gerecht zu werden. Die zahlreichen Krisen der letzten Zeit sind auch an unserem Verein nicht spurlos vorübergezogen. Durch das moderne Sanierungsverfahren nutzen wir nun die Möglichkeit, uns neu und stabil für die Zukunft aufzustellen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden über das Verfahren informiert – alle stehen geschlossen hinter unserem Verein. Das gibt uns die nötige Kraft und Zuversicht für die kommenden Aufgaben.“

Besonders der Mangel an geeigneten Mitarbeitern und der starke Anstieg der Energiekosten habe zu dem laufenden Insolvenzverfahren des Jean-Paul-Stifts geführt. So verhinderte etwa der zunehmende Fachkräftemangel, dass eine ausreichende Belegung erreicht werden konnte. Darüber hinaus musste der Verein aufgrund der globalen Krisen mit erheblichen Kostensteigerungen im Bereich Materialaufwand und Energie kämpfen. Dadurch litt die Ertragslage und die Liquiditätsreserven reduzierten sich in den letzten Jahren kontinuierlich. Kostendeckend habe der Verein schon länger nicht mehr arbeiten können.

Jean-Paul-Stift Bayreuth: Sanierungskonzept bis September umsetzen

Trotz der aktuellen Lage kann der gemeinnützige Verein aber nicht nur die Menschen mit allen Angeboten ohne Einschränkung weiter unterstützen – es gibt auch einen ersten Sanierungserfolg zu verzeichnen: Die Löhne und Gehälter der mehr als 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind durch das Insolvenzgeld für die Monate Juni, Juli, August gesichert, heißt es entsprechender Mitteilung weiter.

Zum Sanierungsteam des Jean-Paul-Vereins gehört auch Simon Leopold, Geschäftsführer der ABG Consulting-Partner GmbH und Co. KG. Mit seinem Team verantwortet er die kaufmännische Begleitung und die Umsetzung des Sanierungskonzeptes. „Die Einrichtungen und Angebote des Vereins waren zuletzt nicht mehr wirtschaftlich. Deshalb müssen wir uns die einzelnen Bereiche nun genau anschauen, sie stabilisieren und restrukturieren. Dabei sind sich natürlich alle Beteiligten bewusst, welche Bedeutung die Arbeit des Vereins für das Miteinander und die Menschen in der Region hat”, erklärt Leopold.

Bis zur geplanten Eröffnung des Verfahrens Anfang September soll das Sanierungskonzept des Vereins vollständig umgesetzt werden.

Chance auf Erhalt des Jean-Paul-Stifts gegeben

Wie es in einem Eigenverwaltungsverfahren erforderlich ist, wurde vom Amtsgericht Bayreuth auch ein sogenannter vorläufiger Sachwalter bestellt. In dieser Funktion überwacht Rechtsanwalt Dr. Nils Freudenberg von der Kanzlei Tiefenbacher Insolvenzverwaltung I Restrukturierung den Fortgang des Verfahrens und kontrolliert die Geschäftsführung. „Ich sehe beim Jean-Paul-Verein beste Chancen auf einen Erhalt und eine nachhaltige Sanierung. Der Schuldner ist noch nicht tatsächlich zahlungsunfähig, was die Neuaufstellung deutlich erleichtern dürfte. Außerdem sind sich, denke ich, alle Beteiligten der Bedeutung des traditionsreichen Vereins für die Hilfebedürftigen und für das gesellschaftliche Miteinander in der gesamten Region Bayreuth bewusst. Deshalb gehe ich davon aus, dass hier konstruktiv und mit Nachdruck an einer zeitnahen Lösung für den Jean-Paul-Verein gearbeitet wird“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Nils Freudenberg.


Von Jürgen Lenkeit
Bereitgestellt mit myContent.online CMS und PORTAL.
north