O- und X-Beine, Knick-Plattfüße, ein innengedrehter Gang, ein „krummer Rücken“. Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn sie bei ihren Kindern feststellen, dass die Haltung nicht ideal ist. „In vielen Fällen sind diese vermeintlichen Fehlstellungen aber normal“, sagt Dr. Maximilian Keil. Er ist Geschäftsführender Leitender Oberarzt der Kliniken für Querschnittgelähmte, Orthopädie und Rheumatologie der Klinikum Bayreuth GmbH und als Facharzt für rehabilitative und physikalische Medizin auch im Ambulanten Zentrum tätig. Im Rahmen eines Medizinischen Vortrags nimmt der Orthopäde Patienten, Angehörige, Eltern und Interessierte mit auf einen Streifzug durch die Kinderorthopädie. BTSZ: Herr Dr. Keil, wann sollte Sie als Orthopäde einfach mal nichts tun… Dr. Keil: Im Urlaub. Nein, Spaß beiseite. Oft machen sich Eltern Sorgen, wenn sie bei ihrem Kind eine vermeintliche Fehlstellung beobachten. Vermeintlich deshalb, weil es sich in vielen Fällen glücklicherweise um einen ganz natürlichen Wachstumsablauf handelt. Für uns Mediziner ist es dann manchmal die größte Herausforderung, nichts zu unternehmen und das plausibel und kompetent zu erklären. Eltern wollen und sollen verstehen, warum auf eine Therapie verzichtet werden kann. BTSZ: Können Sie ein Beispiel nennen? Dr. Keil: Der Klassiker sind ein innengedrehtes Gangbild oder Knick-Plattfüße bei Kleinkindern. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Die Knochen im Oberschenkel und der Hüfte stehen in einem anderen Winkel zueinander, Skelett, Sehnen und Muskeln weisen noch nicht die Stabilität auf, die man bei Erwachsenen findet. Im Wachstum wird vieles ausgeglichen. Ein innengedrehter Gang zum Beispiel normalisiert sich in der Regel bis zum 16. Lebensjahr. BTSZ: Aber nicht alles kann hingenommen werden… Dr. Keil: Das stimmt. Auch ein Knickfuß kann krankhaft sein. Zum Beispiel dann, wenn er durch eine Verkürzung der Achillessehne bedingt ist. Dann würde man auch frühzeitig operativ eingreifen, um das weitere Wachstum positiv zu beeinflussen. BTSZ: Stichwort Wachstum: Ist das die größte Herausforderung? In einen Prozess einzugreifen, der noch nicht abgeschlossen ist? Dr. Keil: In vielen Fällen hilft uns das Wachstum sogar. Beispielsweise können Fehlstellungen wie X- oder O-Beine, aber auch unterschiedliche Beinlängen ausgeglichen werden, indem wir auf die Wachstumsfugen einwirken, das Wachstum also an bestimmten Stellen gezielt bremsen oder fördern. In anderen Fällen müssen wir aber natürlich auch den Behandlungsverlauf so auf die Entwicklung des Kindes abstimmen, dass wir Wachstum nicht unnötig hemmen. Einen angeborenen Klumpfuß oder Hüftfehlstellungen beispielsweise würde man bald nach der Geburt gipsen oder operieren, sodass die Entwicklung im Anschluss so normal wie möglich ist. In anderen Fällen wartet man große Wachstumsphasen gezielt ab und handelt dann. BTSZ: In welchen Fällen ist Abwarten vor Operationen ratsamer? Dr. Keil: Häufig bei Wirbelsäulendeformitäten. Wir sind die einzige Klinik in Oberfranken, die Kinder mit krankhaften Verformungen der Wirbelsäule wie Skoliosen und Kyphosen, von der konservativen Therapie bis hin zu komplexen operativen Eingriffen behandeln kann. Die Kinder gehen oft einen langen Weg mit uns. Und je länger der Weg, desto mehr muss man als Orthopäde auch das Wachstum im Blick haben. In manchen Fällen können wir es nutzen, sollten es aber vor allem bei langwierigen Erkrankungen auch so wenig wie möglich beeinträchtigen. Wir müssen individuell entscheiden, mit der Familie und den Kindern gemeinsam den richtigen Zeitpunkt für Behandlungsabschnitte abpassen. Eine gelungene Therapie ist daher immer das Ergebnis eines guten Miteinanders zwischen Patient, Eltern und behandelndem Arzt.