Schlaf. Wir verbinden ihn mit Erholung und Entspannung. Anders ist es, wenn wir über den künstlich herbeigeführten Schlaf sprechen: die Narkose. Auch, wenn sie uns bei schwerer Krankheit und während Operationen davor bewahrt, Schmerzen zu empfinden und schlechte Erinnerungen zu generieren, so ist sie dennoch für manch einen Patienten ein Alptraum. Zu Unrecht, sagt Dr. Sebastian Ortlieb. Er ist Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesie, spezielle Intensiv- und Notfallmedizin und betreut seit mehr als 25 Jahren jährlich rund 500 Narkosen. Am kommenden Mittwoch informiert er im Rahmen eines Medizinischen Vortrags im Klinikum Bayreuth über Ängste, Risiken und Chancen der Narkose, insbesondere der Vollnarkose. Wir sprachen vorab mit dem Mediziner. BTSZ: Herr Dr. Ortlieb, was macht eine Narkose eigentlich mit uns? Dr. Ortlieb: Zuallererst sollte man sich bewusst machen, dass eine Vollnarkose immer dann zum Einsatz kommt, wenn unser Körper der schmerzlichen Belastung ohne sie nicht standhalten würde. Das ist beispielsweise nach Unfällen oder bei großen Operationen der Fall. Sie sorgt dafür, dass Patienten während und unmittelbar nach einem Eingriff keine Schmerzen empfinden. Aber auch dafür, dass wir uns an die unangenehme Situation im Operationssaal nicht mehr erinnern. Beides ist absolut gewünscht. Außerdem dämpft sie bestimmte Körperfunktionen und Aktivität der Nerven, sodass der Operateur sicher arbeiten kann. Das erreichen wir durch eine Kombination verschiedener Medikamente, die individuell auf den Patienten abgestimmt werden. BTSZ: Warum haben so viele Menschen Angst vor einer Narkose? Dr. Ortlieb: Fremden Menschen die Kontrolle über den eigenen Körper zu überlassen, das ist keine angenehme Vorstellung und für viele tatsächlich die größte Hürde. Oft haben Patienten aber auch Angst, aus der Narkose nicht wieder zu erwachen. BTSZ: Ist diese Angst begründet? Dr. Ortlieb: Kein Patient wird ohne Not in Narkose versetzt. Meist ist ein großer Eingriff oder eine schwere Verletzung der Grund. Den Ausgang einer Operation können wir Anästhesisten oder Operateure im Vorfeld nicht zu 100 Prozent vorhersehen. Sicher sagen kann ich als Anästhesist aber: Verläuft die Operation ohne Komplikationen, ist es nahezu ausgeschlossen, aus einer Narkose nicht wieder zu erwachen. Die Narkose wird durch eine Kombination von Medikamenten künstlich herbeigeführt und jedes Medikament baut der Körper nach und nach wieder ab. BTSZ: Eine weitere Angst ist die, während eines Eingriffs zu erwachen! Dr. Ortlieb: Diese Fälle gibt es, sie sind aber extrem selten. Leider lässt sich das aber nicht völlig ausschließen. Der Faktor Mensch ist – in diesem Fall leider – nicht zu 100 Prozent berechenbar. Dafür Sorge zu tragen, dass das nicht passiert, ist ein Teil unserer Aufgabe als Anästhesisten. Wir haben daher unsere Patienten und seine Vitalfunktionen immer im Blick, verfolgen alles über Monitore und werden bei Veränderungen sofort tätig, um die Narkose so tief wie nötig zu halten. BTSZ: Welche Risiken sollte ich im Vorfeld einer Narkose kennen? Dr. Ortlieb: Es wäre unprofessionell zu sagen, dass eine Narkose keine Risiken hat. Die gibt es. Darauf werde ich in meinem Vortrag näher eingehen. Aus diesem Grund klären wir Patienten im Vorfeld eines Eingriffs immer umfassend auf. Auch das baut Ängste ab. Es hilft aber auch uns Ärzten, Risiken im Vorfeld zu erkennen und damit kalkulierbarer zu machen. Je mehr wir vor der Anästhesie über den Patienten und seinen Gesundheitszustand wissen, desto besser können wir die Narkose planen. Der Patient selbst hat nach dem Gespräch in der Regel noch eine Nacht Zeit, um darüber zu schlafen. So hat er die Möglichkeit, noch einmal nachzufragen, wenn Bedenken aufkommen. Je vertrauensvoller das Miteinander, desto geringer sind meist die Sorgen und Ängste. BTSZ: Sie kennen die Risiken einer Narkose, wissen, was alles passieren kann. Hätten Sie Angst? Dr. Ortlieb: Nein. Für jedes Medikament gilt: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Man entscheidet sich immer für das kleinstmögliche Übel. Das gilt auch für die Narkose. Aber ohne Narkose wären viele operative Eingriffe wie große Bauch- oder Herzoperationen undenkbar. Wir würden sie nicht überleben. Und das ist keine Alternative.