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Gedanken zur Woche: „Sei ohne Furcht, glaube nur!“– von Dr. Christian Karl Steger, Pfarrer der Schlosskirche | inbayreuth.de
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Veröffentlicht am 04.07.2021 06:00
Veröffentlicht am 04.07.2021 06:00

Gedanken zur Woche: „Sei ohne Furcht, glaube nur!“– von Dr. Christian Karl Steger, Pfarrer der Schlosskirche

Pfarrer-Steger (Foto: inBayreuth.de)
Pfarrer-Steger (Foto: inBayreuth.de)
Pfarrer-Steger (Foto: inBayreuth.de)
Pfarrer-Steger (Foto: inBayreuth.de)
Pfarrer-Steger (Foto: inBayreuth.de)

Wir sind uns einig, dass wir uns in nichts einig sein wollen. Könnte man so in etwa den Zustand unserer Zeit beschreiben? Anders gefragt, war es je anders, haben die Menschen zu anderen Zeiten mehr zusammen gehabt, was sie verband, oder mussten sie aufgrund materieller Not schlicht mehr zusammenhalten? Man könnte damit im Umkehrschluss meinen, dass es Zeichen der Sicherheit und des Wohlstandes ist, wenn jeder machen kann, was ihm beliebt. Haken daran ist nur, dass sich der Mensch immer über andere definiert. Der deutsche Philosoph Helmuth Plessner meinte, dass wir nur im Umweg über andere uns selbst besitzen können.

Also wie viel mehr sind wir dann freier als die, denen es ihre Armut nicht erlaubt, sich selbst zu erfinden? Und ist es Zeichen von mehr Freiheit, wenn Urlaube, neue Partner, auch ein Sammelsurium fernöstlicher religiöser Relikte Gewehr bei Fuß stehen müssen, um sich selbst zu finden, um sich selbst immer wieder und immer neu zu deuten, mich zu bestätigen? Dazu kommen zurzeit nicht eben gewöhnliche Herausforderungen auf uns: Wir spüren und ahnen innerlich sehr wohl, an welchem Punkt unsere Zeit, auch unsere Kirche, unsere Gesellschaft angekommen ist. Der furchtbare Mord in Würzburg wird die Gesellschaft nicht einen, ich fürchte eher das Gegenteil, die Meinungen krachen noch deutlicher aufeinander. Wenn die nächtlichen Partys in der Innenstadt bis in den Morgen Krach und Schmutz hinterlassen, wenn die Kirchenwand unserer Schlosskirche mittlerweile zum beliebten Urinal der Feiernden geworden ist, dann spricht das nicht gerade für Achtsamkeit und Respekt. Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind, dass wir nichts haben, was uns allen heilig ist.

Im Markusevangelium begegnet uns Jesus, als er die gestorbene Tochter des Synagogenvorstehers Jairus zum Leben erweckt. Eine harte Sache für Jesus. Er erklärt vor dem Sterbebett: Sie ist nicht tot, sie schläft nur (Mk 5,39). Dieses Schlafen als Bild für den Tod, war für die frühe Kirche ein Symbol für die Auferstehung der Toten, sicher die größte Herausforderung des Glaubens. Und prompt, als Jesus das sagt, da lachen die Anwesenden ihn aus, dieser aber sieht Jairus an und sagt ihm: Sei ohne Furcht, glaube nur.

Wir erleben unsere Zeit heute als eine, in der wir als Christen sehr schnell an genau diese Grenzen stoßen, denn was uns ausmacht und definiert, das erregt im besten Fall tatsächlich oft nur das Lachen der anderen. Ist Christus nicht auf-erstanden, dann ist unser Glaube leer und sinnlos (1 Kor 15,4).

So hat Paulus schon an seine Gemeinde an Korinth geschrieben. Dabei ist die Sehnsucht nach der Deutung des Lebens, der Deutung meines Lebens, jemand, an den ich glauben kann, immer da. Wir stehen nicht selten an der Stelle des Jairus und sind gefordert, unser Leben zu deuten, darum oft genug die Flucht nach vorn, vom Urlaub bis hin zu einem neuen Partner, vom neuen Job bis hin zu was auch immer. Fraglich, ob der gesuchte Halt auch einer ist, der diesen Glauben erwidert. Es ist sprichwörtlich geworden, das alte Goethe-Wort: Sage mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist. Die Falle kann die sein, dass ich, wenn ich nur an mich glauben kann und will, nicht unbedingt frei bin, sondern getrieben. Wer nur an sich glauben kann, tritt auf der Stelle, er weiß nicht recht, wie es weiter gehen soll, unter ihm zersetzt sich der Boden, er sucht wieder und wieder nach einem neuen Strohhalm, der ihn und sein Leben deuten soll und ihn aufrichtet.

Als der Jairus am Sterbebett seiner Tochter steht, da war die Herausforderung, Jesu zu glauben, nicht eben leicht, aber sie war ihm zugewandt, ihm persönlich, nicht von ihm als Vertröstung oder Strohhalm gesucht: Du glaube nur! Der Glaube, dass es weiter geht, dass da drüben wirklich wer wartet, ist die Perspektive des Lebens als Christen für uns, vom Blick der Ewigkeit her sollen wir hier handeln, nicht umgekehrt. Glaube ist nicht Moral, um mich meiner selbst zu vergewissern, sondern wie bei Jairus wechselseitiges Bekenntnis zwischen Gott und dem Menschen.

An jemanden glauben zu können, zu wissen, dass jemand an mich glaubt, wie es Jesus dem Jairus zusagt, nur das gibt Halt. Der große Talleyrand, den man gern als Erzverräter in der napoleonischen Geschichte brandmarkt, hat es einmal spitz formuliert und er kommt mir so oft erschreckend und warnend in den Sinn, wenn ich zurzeit nur die Augen aufmache: „Ich habe niemals einen Souverän aufgegeben, der sich nicht vorher selber aufgegeben hat“. „Sei ohne Furcht, glaube nur!“ (Mk 5,36).


Von Roland Schmidt

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