Muskel- und Sehnenerkrankungen gehören zu den häufigsten Gründen, die den Patienten zum Orthopäden führen. Sei es eine Sportverletzung oder Überlastungszustände. Oft bestehen Schmerzen im Sehnenansatzbereich bzw. im Bereich der Muskulatur. Die Folge ist eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung, die über Wochen bis Monate anhalten können. Üblicherweise werden Erkrankungen im Weichteilbereich mit Schmerzmitteln, entzündungshemmenden Medikamenten, Eis, Kühlung, Verbänden, Ruhigstellung oder Kinesio-Tape behandelt. In einzelnen Krankheitsfällen kann sich die Symptomatik so ausgeprägt entwickeln, dass selbst operative Maßnahmen in Erwägung gezogen werden müssen. Als nicht-invasives (unblutiges) Verfahren entstand die Idee, Stoßwellen zu erzeugen und von außen in den Körper einzuleiten bereits in den 1960ern. Erste Erfolge zeigten sich schließlich 1980 mit der Zertrümmerung von Steinleiden. Auf der Suche nach neuen Therapien mit verbesserter Wirkung und als konservative Maßnahme gut durchführbar, fand die Technik der Stoßwellentherapie ab den 90ern zunehmend Verbreitung in der Orthopädie. Rasch fand die Methode in den folgenden Jahrzehnten auch in weiteren medizinischen Teilbereichen ihre Anwendung. Die Technik wurde verbessert, die Geräte handlicher, sodass bald in vielen Praxen und medizinischen Einrichtungen die Durchführung möglich wurde. Bei der Stoßwelle handelt es sich um eine der Ultraschallwelle verwandte Technik. Es wird ein akustischer Puls ausgelöst, der eine Welle mit hoher Druckamplitude in das Gewebe sendet. Heute werden im Wesentlichen die radiale Druckwelle und die fokussierte Stoßwelle (ESWT) unterschieden. Während die radiale Welle einen sich flächig ausbreitenden Druckfächer v.a. für oberflächliche Gewebebereiche nutzt, sendet die fokussierte Stoßwelle einen punktförmigen Stoß aus, der in tiefere Schichten eindringt und sich dort konzentriert. Der therapeutische Nutzen der Stoßwelle ist im vollen Umfang abschließend noch nicht geklärt. Der Effekt beruht im Wesentlichen auf regenerative Veränderungen des Gewebes, welche auf der Zellebene stattfinden, und dort einerseits durch die Freisetzung von Botenstoffen und andererseits durch die Neubildung von Gewebe- und Gefäßzellen erklärt wird. Im Bereich der Orthopädie findet die ESWT sowohl als Einzeltherapie als auch in Verbindung mit weiteren Maßnahmen statt. Hierzu können entzündungshemmende Medikamente, Verbände oder eine gezielte Bewegungstherapie eingesetzt werden. Die mit der Stoßwellentherapie behandelten Erkrankungen können wie folgt eingeteilt werden. Zunächst die Standardindikation wie der Fersensporn, die Kalkschulter, Achillessehnenerkrankungen, Wundheilungsstörungen oder verzögerte Knochenheilungen. Desweitern gibt es allgemein anerkannte Diagnosen z.B. myofasciale Syndrome oder das Schienbeinkantensyndrom. Neuere Anwendungsbereiche mit weniger Erfahrung sind sogenannte Ausnahmediagnosen. Hier kann u.a. das Karpaltunnelsyndrom oder der schnellende Finger hinzugezählt werden. Die ESWT findet jedoch nicht ausschließlich bei Muskel-, Sehnen- und Knochenbeschwerden Anwendung, sondern kann ebenfalls eingesetzt werden bei der Therapie von z.B. einem Lipödem oder der Zellulite. Effekt und Wirkung der Maßnahme sollte dabei grundsätzlich individuell zwischen Patient und Arzt besprochen und erörtert werden. Im Rahmen der Therapie finden zunächst drei bis sechs Sitzungen statt, die in wenigen Tagen aufeinander folgen. Daran schließt sich ein therapiefreies Intervall mit einer abschließenden Erfolgskontrolle an, da die Technik eine Wirkdauer über mehrere Wochen benötigt. Dabei kann die radiale Druckwelle auch von nicht-ärztlichen Therapeuten angewendet werden, während die fokussierte Stoßwelle eine ausschließlich vom Arzt selbst durchgeführt Therapiemaßnahme ist. Die Stoßwelle ist insgesamt nebenwirkungsarm. In seltenen Einzelfällen wurde von Schwellungen, lokaler Schmerzzunahme oder punktförmigen Einblutungen berichtet. Die Therapiedurchführung setzt in jedem Fall eine ausreichende körperliche Untersuchung voraus, da es durchaus Gründe gibt, die gegen die Anwendung der Stoßwelle sprechen. Während die privaten Krankenversicherungen die ESWT bei den meisten Erkrankungen übernehmen, ist sie im gesetzlichen Bereich in der Regel eine Selbstzahlerleistung. Einzige Ausnahme betrifft die Diagnose Fersensporn, welche unter Erfüllung einiger Voraussetzungen übernommen wird. Es empfiehlt sich daher immer ein ausführliches Aufklärungsgespräch über die Durchführung, Möglichkeiten und Grenzen der Therapie, um eine vielversprechende und bereits bewährte Methode als Ergänzung in der Zusammenarbeit von Patient und Arzt zu nutzen.