Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen, Schlafstörungen, Erschöpfung – und keine Ursache erkennbar? Das können Symptome einer Fibromyalgie sein, sagt Dr. Roman Koshedub. Er ist Leitender Oberarzt der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie und Spezialist auf diesem Gebiet. Wir sprachen mit ihm über Diagnose und Therapie dieses komplexen Krankheitsbildes. BTSZ: Was ist Fibromyalgie? Dr. Koshedub: Dazu gibt es viele Ammenmärchen. Obwohl das Krankheitsbild seit Jahrzehnten offiziell anerkannt ist, behaupten einige noch immer, die Erkrankung existiere nicht. Auch die Meinung, dass das Fibromyalgiesyndrom nur eingebildet ist oder es sich gar um eine depressive Verstimmung handelt, hält sich hartnäckig, ist aber längst überholt. Man geht heute davon aus, dass es sich um ein funktionelles somatisches Schmerzsyndrom handelt, oft begleitet von weiteren zahlreichen Beschwerden wie einem Reizdarmsyndrom, Gefühlsstörungen in den Händen und Füßen, Kopfschmerzen, trockenen Augen und vielem mehr. Die von Patienten geschilderten Symptome sind also sehr vielfältig. Im Volksmund wird auch gerne von einem „Weichteilrheuma“ gesprochen. Es handelt sich hier aber nicht um ein entzündliches Geschehen, im Gegensatz zu den rheumatischen Erkrankungen im engeren Sinne. BTSZ: Wie lässt sich Fibromyalgie diagnostizieren? Dr. Koshedub: Der Diagnose geht eine akribische Untersuchung voraus, da die Symp-tome von Fall zu Fall stark variieren und durch andere Erkrankungen verursacht sein können. Die Fibromyalgie ist keine organische Erkrankung. Es werden also keine Gelenke, Muskeln oder Organe geschädigt. Gelenk-, Kreuz- und Wirbelsäulenschmerzen, Bauchbeschwerden, aber auch die anhaltende Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind zwar typisch für die Fibromyalgie, können aber auch Symptome anderer Krankheiten sein. Daher gilt es im ersten Schritt immer, andere Ursachen auszuschließen. BTSZ: Das klingt nach einem langwierigen Prozess… Dr. Koshedub: Das stimmt leider sowohl für die Diagnose als auch für die Therapie. Da die Krankheit ein sehr individuelles Erscheinungsbild hat, muss auch die Therapie auf jeden Patienten individuell abgestimmt werden. Dazu müssen wir unsere Patienten erst einmal umfassend kennenlernen. Ihre Lebensumstände, ihre Vorerkrankungen, ihre Schmerzen. Wann treten sie in welchen Körperregionen auf? Dabei helfen uns klassische Schmerzskizzen und Fragebögen. Ist die Diagnose einmal gestellt, gibt es durchaus Wege, die Beschwerden zu lindern. Allerdings müssen Patienten Geduld haben. Ein Erfolg stellt sich nicht von heute auf morgen ein. BTSZ: Lässt sich Fibromyalgie heilen? Dr. Koshedub: Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung und begleitet Patienten oft ein Leben lang. Ziel der Therapie ist es, dass sie lernen, mit ihren Schmerzen und Beeinträchtigungen besser umzugehen. Sie müssen möglichst viel über sich, ihre eigene Leistungsfähigkeit, aber auch über die Krankheit selbst lernen. Hilfreich ist auch der Austausch untereinander. Ich rate Betroffenen daher auch zum Besuch einer Selbsthilfegruppe. BTSZ: Werden die Schmerzen nicht mit Medikamenten behandelt? Dr. Koshedub: Das ist meist der falsche Weg, den wir ausschließlich bei extremen Schmerzsituationen und auch nur kurzfristig einschlagen. Sport und Bewegung ist in den meisten Fällen die bessere Alternative. Das ist leichter gesagt als getan. Oft führen die ständigen Schmerzen in einen Teufelskreislauf aus Schonung, Inaktivität und abnehmender Belastbarkeit. Die Betroffenen schaffen es dann oft nicht, sich alleine aus dieser Falle zu befreien. Eine professionelle Begleitung, am besten im Rahmen eines multimodalen Konzeptes, ist dann ratsam. Der erste Schritt in der Therapie ist immer, den Patienten die Angst vor Schmerzen zu nehmen. Nach und nach lassen sich die Belastungsgrenzen wieder steigern und Lebensqualität zurückgewinnen. BTSZ: Wann sollte ich hellhörig werden? Dr. Koshedub: Wer länger als drei Monate unter Schmerzen in mehreren Körperbereichen, insbesondere unter Nacken-, Rücken- und Kreuzschmerzen, Beschwerden im Brust- und Bauchbereich, Beinen oder Armen leidet, sollte sich einer fachärztlichen Untersuchung unterziehen. Außerdem sollten Betroffene auf weitere Anzeichen achten: anhaltende Müdigkeit, Kopfschmerzen, Herzrasen, Verspannungen und Magen-Darm-Probleme. Aber auch Reizempfindlichkeit, Kribbeln in den Händen, Konzentrationsstörungen und Nervosität können ebenfalls durch Fibromyalgie ausgelöst werden.