Veröffentlicht am 06.09.2022 05:58
Veröffentlicht am 06.09.2022 05:58

Senioren-WG in Bayreuth auf der Zielgeraden

Diese Seniorinnen und Senioren haben ihr Lebensmodell gefunden. Sie bilden eine Wohngemeinschaft. Im Mai wird das Haus am Stuckberg<br>bezogen. (Foto: Gert-Dieter Meier)
Diese Seniorinnen und Senioren haben ihr Lebensmodell gefunden. Sie bilden eine Wohngemeinschaft. Im Mai wird das Haus am Stuckberg
bezogen. (Foto: Gert-Dieter Meier)
Diese Seniorinnen und Senioren haben ihr Lebensmodell gefunden. Sie bilden eine Wohngemeinschaft. Im Mai wird das Haus am Stuckberg
bezogen. (Foto: Gert-Dieter Meier)
Diese Seniorinnen und Senioren haben ihr Lebensmodell gefunden. Sie bilden eine Wohngemeinschaft. Im Mai wird das Haus am Stuckberg
bezogen. (Foto: Gert-Dieter Meier)
Diese Seniorinnen und Senioren haben ihr Lebensmodell gefunden. Sie bilden eine Wohngemeinschaft. Im Mai wird das Haus am Stuckberg
bezogen. (Foto: Gert-Dieter Meier)

BAYREUTH. Günter Bergmann wägt seine Worte genau ab. Und wenn einer wie er, im früheren Leben Direktor des Bayreuther Arbeitsamts, gelassen und mit einer gewissen Genugtuung den Satz ausspricht, „Wir stehen am Anfang der Zielgerade“, dann heißt das, frei übersetzt: Es läuft alles nach Plan. Bingo! Nach ziemlich genau drei Jahren hat das Projekt Senioren-Wohngemeinschaft „LeNa Bayreuth“ das wichtigste Etappenziel vor Augen – den Einzug von bis zu 15 Frauen und Männern in einen stattlichen Neubau am Stuckberg.

Geplant und gebaut wurde das Domizil von der Bayreuther Wohnungsbaugenossenschaft GBW, voraussichtlich im Mai 2023 soll der Einzug gemeinsam gefeiert werden. Kein Wunder also, wenn nicht nur bei Bergmann die Vorfreude, aber auch die Anspannung stetig steigt und immer häufiger die Frage aufkommt, die auch die drei Nornen in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ stellen: „Weißt du, wie das wird?“

Natürlich wissen das auch die Senioren nicht. Obwohl die Frauen und Männer, die zwischen 59 und 79 Jahre alt sind, in den zurückliegenden drei Jahren alles dafür getan haben, dass alles gut wird. Gerade für das gegenseitige Kennenlernen haben sich die bislang sieben Singles und zwei Paare viel Zeit genommen. Mit einem kurzen Gespräch, nebst Vorlage des ausgefüllten Fragebogens oder Lebenslauf, war es da beileibe nicht getan. Man wollte schon wissen, ob das passt. Weshalb die Senioren auch gerne mal gemeinsam radelten, reisten oder feierten. Um herauszufinden, ob Neulinge auch gruppendynamisch ins Team passen. Man entwickelte gemeinsam eine WG-Satzung, man unterhielt sich ausführlich über wichtige Fragen (Was tun, wenn jemand pflegebedürftig wird?), man definierte ein stückweit auch das neue gemeinsame Lebensmodell. Das sieht vor, dass am Stuckberg zwar alle ihre eigenen 2- und 3-Zimmer-Wohnungen haben, in die man sich zurückziehen kann, aber eben auch eine Wohnung für alle eingeplant ist. Dort soll gekocht und gebacken, gelesen oder gekartelt werden, dort will man feiern, diskutieren, Gymnastik machen, dort könnten aber auch kleinere Veranstaltungen ablaufen, in die auch Menschen aus dem Quartier einbezogen werden – von Infoabenden über Weinproben bis hin zu Spielabenden.

Die Palette der angedachten gemeinsamen Aktivitäten findet freilich nicht nur im Haus statt. Denn die Aktivsenioren wollen auch gemeinsam reisen, Theater- und Konzertveranstaltungen erleben, ins Kino gehen oder an Festen teilnehmen. Dabei gilt immer ein Grundsatz: Jede und jeder kann sich beteiligen, niemand muss mitmachen. Freiheit und Unabhängigkeit im Alter, ist schließlich ein ebenso wichtiges Gut wie das gelebte Miteinander - gerade für jene, die lange mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen- und zuletzt häufig mehrere Jahre allein gelebt haben.

Und was sind das für Menschen, die sich für ein Leben in der Bayreuther Senioren-WG entschieden haben? Höchst unterschiedliche – Bayreuther und Zugezogene, (weniger) Männer und (mehr) Frauen, Singles und Paare, Lehrer und Sozialarbeiter, Angestellte und ein Arbeitsamtsdirektor, Außendienstler und Hausfrauen. Was alle eint? Sie alle haben Sozialerfahrung; sie alle sind jung geblieben im Denken; sie alle haben Lust auf eine neue Erfahrung; sie alle fiebern diesem neuen Lebensabschnitt entgegen und empfinden die Gemeinschaft als echte Bereicherung. Weil diese Gemeinschaft, wie Günter Bergmann sagt, eine besondere Energie freisetzt.

Und die spürt auch Wolf Rohmann, der aus dem Ruhrgebiet kommt, dort als Sozialarbeiter tätig war und schon einige WG-Erfahrung aus jüngeren Jahren mitbringt. Er kam aufgrund eines Jobangebots seiner Frau zunächst nach Nürnberg und dann nach Bayreuth. Und erfuhr eher zufällig über einen Newsletter der Stadt von „LeNa Bayreuth“, was ja als Kurzform steht für „Lebendige Nachbarschaft“. Also nahmen Rohmann und seine Gattin Kontakt auf mit LeNa, obwohl sie vermuteten, dass es da eine ellenlange Warteliste geben würde. Dem war aber nicht so, also befasste sich das Paar immer intensiver mit der Idee, aus der eigenen Wohnung aus- und als GBW-Genossen ins LeNa-Haus einzuziehen. Warum? „Weil wir der Ansicht sind, dass nach den vielen Abenteuern, die wir draußen in der Welt erleben durften, nun ein neues Abenteuer auf uns wartet. Und das sehen wir im gemeinsamen Umgang der Gruppe miteinander.“ Gerade der gegenseitige Respekt, die Offenheit, das Vertrauen untereinander und die Lust auf einen neuen, offenen und partnerschaftlichen Umgang mit dem Alter hätten sie bewogen, Teil der LeNa-WG zu werden.

Derweil macht sich bei den LeNa-Protagonisten so langsam eine gewisse Unruhe breit. Man will endlich einziehen – obwohl sich LeNa mit einer Vorbereitungszeit von nur drei Jahren ungleich schneller als die meisten vergleichbaren Projekte in Deutschland dem Ziel Einzug nähert. Die nächsten Projekte? „Wir sind dabei, unsere Gemeinschaftswohnung einzurichten. Und viele von uns möchten ihre individuelle Wohnungen planen, ihre bisherigen Unterkünfte aufzulösen und sich von überflüssigen Dingen zu trennen“, sagt Günter Bergmann. Mit der Folge, dass aktuell viele Möbel und Utensilien getauscht oder im Bekanntenkreis angeboten werden.

Wie optimistisch die LeNa-Macher sind, dass die beiden noch nicht endgültig vermieteten 3-Zimmer-Wohnungen an die Frau, den Mann oder das Paar gebracht werden können? Sehr optimistisch, ist herauszuhören: „Wir sind in guten Gesprächen, freuen uns aber auch, wenn sich noch weitere Interessenten melden. Weil wir uns für die Auswahl unserer weiteren Mitbewohner bewusst viel Zeit nehmen wollen“, so Bergmann.

Eines ist den LeNa-Machern noch wichtig zu betonen: „Wir freuen uns riesig über die öffentliche Unterstützung, die wir bisher schon erfahren durften – seitens der Stadt, in der Region, seitens des Freistaats und durch die vielen Menschen, die uns darin bestärkt haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Günter Bergmann im Namen aller LeNa-Mitstreiter.

Der schönste Beweis für die große Aufmerksamkeit ist sicherlich der Bayerische Demografiepreis, mit dem Bayerns Heimatminister Albert Füracker im April dieses Jahres das Wohnprojekt LeNa ausgezeichnet hat. LeNa versteht diese Aufgeschlossenheit auch als Ansporn, etwas zurückzugeben: Sie wollen viele Menschen davon überzeugen, dass eine Senioren-Wohngemeinschaft ein wunderbares und bereicherndes Modell sein kann, um das Alter zum Abenteuer zu machen. Mitten in Bayreuth.


Von Jürgen Lenkeit
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