BAYREUTH. Regale mit Lücken im Supermarkt, verhärtete Fronten am Verhandlungstisch: Im Tarifstreit zwischen der Tarifkommission des Handels auf der einen und der Gewerkschaft verdi auf der anderen Seite zeichnet sich derzeit keine Lösung ab.
Im Einzel- und Großhandel wird weiter gestreikt. Dadurch klaffen auch in Bayreuther Supermärkten immer größere Lücken in den Regelreihen. Für den Kaufmann Patrick Schneider geht der Streik der Handelsbeschäftigten an die unternehmerische Substanz. Er greift nun zu unkonventionellen Mitteln.
„Was soll ich denn machen?“, fragt der Kaufmann Patrick Schneider. Eine Antwort erwartet der Inhaber von sechs EDEKA-Schneidermärkten in und um Bayreuth nicht. Seit die Mitarbeiter des Einzel- und Großhandels streiken, kann Schneider kaum gegen wachsende Lücken in den Reihen seiner Supermärkte ankämpfen. „Ich kann das ehrlich gesagt nicht verstehen”, sagt Schneider zu den Motiven der Streikenden.
Und der wird noch mindestens bis 16., eher bis zum 28. August andauern. Am 16. August startet die kommende Tarifverhandlung im Einzelhandel, am 28. Wird für den Großhandel verhandelt. verdi fordert 2,50 Euro mehr Lohn pro Stunde und ein Einstiegsgehalt von 13,50 Euro. Dazu kommt die Forderung nach einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten.
„Wir tun unser Bestes, um möglichst viele Waren vorrätig zu haben.“ Seine Waren bezieht der Kaufmann aus den EDEKA-Lagern aus Marktredwitz und Gochsheim in Unterfranken. Wenn von den Verteilzentren nichts kommt, sitzen er und seine Mitarbeiter in den sechs Filialen auf dem Trockenen. Tatenlos zusehen will Schneider dabei nicht: „Ich habe angefangen, Lkws von Speditionen zu buchen, damit die helfen, mehr Waren ranzuschaffen. Das soll ja den Kunden zugutekommen.“
Laut Schneider hätten viele Kunden Verständnis für den Streik, aber nicht alle. Das Umsatzminus sei mittlerweile beträchtlich. „Ich zahle ja weiter Geld für meine Mitarbeiter – ohne dass die ihr gewöhnliches Arbeitspensum leisten könnten.“
Ähnliches weiß Andreas Pensel zu berichten. Pensel hatte Ende letzten Jahres einen Edeka-Markt in der Königsallee neu eröffnet und vor wenigen Wochen einen bestehenden Markt in Bad Berneck übernommen. „Die einen Kunden haben Verständnis, die anderen nicht.“ An die Substanz gehe der Streik ihm als Unternehmer zwar noch nicht, aber er hofft auf eine zügige Einigung.
Bei verdi betont man, die Forderungen für Mitglieder klar formuliert zu haben. Paul Lehmann, Gewerkschaftssekretär von verdi in Oberfranken sagt klar an: „Die Arbeitgeberseite muss sich auf uns zu bewegen. Einen Reallohnverlust lehnen wir kategorisch ab.“ Die rote Linie ist mit Blick auf Inflation und Verteuerung gezogen. Lehmann betont, dass gerade untere und mittlere Einkommen besonders von der Verteuerung betroffen sind.
Worüber Lehmann entsetzt ist, ist der Versuch Edekas, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen. „Edeka hat verdi verklagt. Das Landesarbeitsgerecht urteilte in letzter Instanz jedoch, dass der Streik rechtens ist. Wer das Streikrecht angreift, greift auch die Grundrechte an.“
Nach Lehmanns Angaben fürchte man auf Seite der Gewerkschaft keinen Druck von Konsumenten, die auf eine schnelle Einigung drängen würden. „Viele Konsumenten im Supermarkt haben Verständnis für unser Anliegen, auch wenn sie mal vorübergehend auf eine bestimmte Eissorte in der Tiefkühltruhe verzichten müssten.“ Die Angst vor einem Versorgungsengpass hingegen sei vollkommen unbegründet.
Neben Supermärkten von Edeka sind auch Filialen von Lidl, Rewe, Kaufland oder Penny von Versorgungsengpässen betroffen. Bei Aldi sind die Regale relativ voll. Dort sind weniger Mitarbeiter in Gewerkschaften organisiert.
Edeka-Kaufmann Schneider aus Bayreuth hofft jedenfalls auf eine schnelle Lösung. „Ich sitze zwar nicht am Verhandlungstisch, bin aber unmittelbar von dem Konflikt betroffen, ganz klar.“ Er rechnet damit, dass er noch mehrere Lkw-Fahrten chartern und aus eigener Tasche bezahlen muss. „Die Kunden sollen möglichst wenig ausbaden müssen.“ Das findet auch verdi-Mann Paul Lehmann. Wenigstens in diesem Punkt ist man sich in Oberfranken schon mal einig.