BAYREUTH. Die Kirchengemeinde St. Georgen ist eine der größten in ganz Oberfranken. Sie vollzieht aktuell einen Strukturwandel – sowohl im Pfarrteam als auch bei den Gemeindemitgliedern. „Die Familie steht im Mittelpunkt“ ist ein Leitmotiv der evangelisch-lutherischen Gemeinde.
Die Kirche möchte neue Konzepte etablieren. Mehr draußen, weniger drinnen. Zwanglos bewegen statt auf der Kirchenbank stillsitzen. Die Bedürfnisse der Kirchgänger sollen modern ins Gemeindeleben integriert werden. Immer im Blick: eine coronataugliche und lebendige Lithurgie. Das Pfarrteam hat der Sonntagszeitung seine Idee von Glaube und Gemeinschaft skizziert.
Knapp über 5.000 Mitglieder hat die evangelisch-lutherische Gemeinde St. Georgen in Bayreuth. Und einen neuen Pfarrer. Otto Guggemos ist seit 1. September Pfarrer der Gemeinde. Er kam nach elf Jahren in Heinersreuth mit seiner Familie nach St. Georgen. Ebenfalls neu dabei: Die Pfarrerinnen Irene Mildenberger und Stefanie Kögel im zweiten und dritten Sprengel. Die Pfarrer Martin Bachmann und Friedrich Jehnes haben sich in den Ruhestand verabschiedet. „Von der Hohen Warte bis runter zum GCE. Dazu gehören unter anderem die Burg und der Riedelsberger Weg“, sagt Guggemos mit ausgebreiteten Armen, als er das Einzugsgebiet seiner Gemeinde beschreibt. Er hält kurz inne, die Arme weiter ausgebreitet. „Wir wollen unsere Kirchen öffnen für etwas Neues“, ergänzt er.
Nur zwei Kirchengemeinden in Oberfranken haben mehr Mitglieder als die größte in Bayreuth. Sie durchlebt nach Guggemos‘ Worten gerade einen „positiven Strukturwandel“, wie er es nennt. In einigen Wohngebieten werde gerade einen Generationenwechsel vollzogen. „Zum Beispiel im Hussengut. Im hugo 49 entstehen zudem viele neue Wohnungen“, erläutert Guggemos. Die Familien sollen sich von der Kirche angesprochen fühlen, vor allem die mit kleinen Kindern.
„Nonlineare Konzepte“ nennt Kirchenmusiker Michael Lippert die Ausrichtung des Kirchenlebens. „Wenn Kinder in der Kirche angestrengt stillsitzen müssen, überlegen sich die Eltern, ob sie kommen. Wir wollen die Tradition in die Moderne überführen.“ Die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat da sogar eine kleine Starthilfe gegeben. Gottesdienste wurden nach draußen verlagert, fanden vor der Kirche und an der Friedhofsmauer statt.
Eine, die mit frischer Kraft diese Idee mit forcierte, ist Diakonin Eva Ernst. Sie kam im Februar wenigen Wochen vor der Pandemie nach St. Georgen – und rief für Kinder die „Kirche Kunterbunt“ ins Leben. „Wir haben vor der Kirche Brot gebacken, am Altar wurden Bibelverse gelesen.“ Die jungen Besucher des Gottesdienstes wurden entzerrt und durften sich bewegen. „Ein absolut kompatibles Konzept“, freut sie sich. Im Sommer folgte für die Erwachsenen das Tischabendmal. Wieder draußen. Pfarrerin Mildenberger: „Jeder Besucher erhielt einen eigenen Teller und ein eigenes Glas. Im Sitzen wurde das Mahl bei guten Gesprächen eingenommen. Eigentlich genau so, wie es in der Bibel überliefert ist.“
Positiver Nebeneffekt laut Ernst: Die Kirche wird in der Öffentlichkeit sichtbar für Passanten und Außenstehende. Wir haben eine höhere Reichweite. Apropos Reichweite: Über einen eigenen YouTube-Kanal und Instagram-Account verfügt die Kirchengemeinde St. Georgen ebenfalls – weitab von klassischen Dogmen der Kirche. Bei Distanzgottesdiensten während der Pandemie geht es los. Auf Instagram postet Diakonin Ernst regelmäßig Bilder und Reels aus der Gemeindearbeit.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Eva Ernst (@eva_ernst_diakonin_st_georgen)
Genau das ist der springende Punkt. „Wir wollen nicht dogmatisch sein“, sagt Michael Lippert. Er ist Kirchenmusiker und Dekanatskantor im Dekanat Bayreuth/Bad Berneck. Mit seiner Musik setzt er dieses Bestreben um. Im Juli hat er den „Klangkosmos Kirche“ in der Ordenskirche realisiert. „Eine Klanginstallation, basierend auf einem Algorithmus. Je nachdem, wo Kirchenbesucher in der Ordenskirche mit ihren Füßen aufgetreten sind, sind unterschiedliche Klänge ertönt.“ Die Grundidee hinter dem Klangkosmos sei der Folgende: Kirche und Glaube sollen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Mit Worten und mit Musik.
Lippert arbeitet derzeit an seinem nächsten Projekt: der „Messe des Kosmos“. Die soll wieder in der Ordenskirche stattfinden. Die Uraufführung war für 2020 geplant, Corona machte eine Verschiebung auf 2023 unvermeidbar. Im Vorfeld finden immer wieder Veranstaltungen statt, die inhaltlich den roten Faden aufgreifen. Zum Beispiel ein Gongschlagen in der Bayreuther Fußgängerzone – Stichwort „Reichweite“. Wir wollen den Kosmos zum Klingen bringen und Transzendenz erfahrbar machen“, sagt Lippert.
Die nonlinearen Konzepte werden auch kurzfristig das Gemeindeleben in St. Georgen prägen. Der Heiligabendgottesdient ist auf dem Friedhof unweit der Kirche angedacht“, kündigt Pfarrer Guggemos an. Und der Familien- und Kindergottesdienst soll ebenfalls draußen stattfinden. Unabhängig von Corona, aber eben auch im Falle einer Winterwelle. Das Gemeindeleben soll so weitergehen – gerne abseits ausgetretener Wege und mit zeitgemäßen Ideen.