Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg beschäftigte sich in seinem Beschluss vom 25.01.2022 – 11 UF 801/21- mit folgendem Sachverhalt: Die Beteiligten sind seit 1991 verheiratete Ehegatten. Am 01.02.2017 kam es zwischen den Beteiligten zum Streit. In Folge einer Armbewegung des Ehemannes traf dieser seine Frau mit der Hand im Gesicht. Diese erlitt dadurch einen Nasenbeinbruch und musste mittels eines operativen Eingriffs medizinisch behandelt werden. Die gemeinsame Wohnung wurde daraufhin der Ehefrau zugewiesen, im Mai 2017 zog der Ehemann mit Einverständnis seiner Frau aber wieder ein. Die Ehefrau teilte der Polizei im Juni 2017 auch mit, sie habe kein Interesse an einer Strafverfolgung. Im September 2020 verlangte die Ehefrau wegen der Körperverletzung vom 01.02.2017 doch Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro. Das Amtsgericht wies den Antrag ab, die Forderung sei verwirkt. Es sei von einer „Versöhnung“ der Ehegatten auszugehen, was bedeute, dass diese die Vergangenheit als abgeschlossen ansähen und man im Interesse eines künftig friedlichen Zusammenlebens gegenseitige Ansprüche aus der Vergangenheit nicht mehr geltend mache. Die Antragstellerin habe in der Folge zudem über drei Jahre lang den Schmerzensgeldanspruch weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht. Nach einer so langen Zeit habe der Antragsgegner darauf vertrauen dürfen, dass der Schmerzensgeldanspruch nicht mehr geltend gemacht werde. Das OLG Nürnberg gab jedoch der Ehefrau Recht, diese habe gegen den Ehemann Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB. Zusammenfassend stellte das OLG fest, die Körperverletzung sei unstreitig, und Verwirkung nicht eingetreten. Denn Verwirkung bedeute, dass sich der Schuldner über einen gewissen Zeitraum wegen Untätigkeit des Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH NJW 2002, 669, 670 Rn. 21). Allein aus dem Umstand einer Versöhnung lasse sich, so das OLG, bei objektiver Beurteilung nicht ableiten, dass damit bereits entstandene Ansprüche künftig nicht mehr geltend gemacht würden. Im Zeitpunkt der Versöhnung, als die Antragstellerin dem Antragsgegner – mit ihren Worten – noch einmal eine Chance gab, war nicht absehbar, ob dies zu einem künftigen Zusammenleben nur für wenige Tage, Wochen oder aber lange Zeit führen würde. Der Antragsgegner konnte in diesem Moment nicht erwarten, dass allein der Versuch erneuten Zusammenlebens zu einem Verzicht auf bisher entstandene Ansprüche führen würde. Vielmehr konnte die erfolgte Versöhnung allenfalls den Ausgangspunkt für eine Entwicklung setzen, die bei Hinzutreten weiterer Ereignisse gegebenenfalls diese Annahme begründen könnte. Zu berücksichtigen ist dabei auch die durch § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Hemmung der Verjährung für die Dauer des Bestands der Ehe. Die Vorschrift sei aber sinnentleert, wenn bereits bei Vorliegen eines Versöhnungsversuchs die Verwirkung bis dahin entstandener Ansprüche einträte. § 207 BGB solle den Familienfrieden vor Störungen durch klageweise Geltendmachung von Ansprüchen schützen, dazu stünde im Widerspruch, wenn der Geschädigte nach einem Versöhnungsversuch zur Vermeidung des Eintritts von Verwirkung gleichwohl zur zeitnahen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten wäre. Hinzutreten müssen für die Annahme des Verwirkungseintritts daher weitere aus dem Verhalten der Antragstellerin abgeleitete Umstände, die beim Antragsgegner berechtigtes Vertrauen dahingehend auslösten, dass er nicht mehr mit Ansprüchen aus dem Schadensereignis konfrontieren werde. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Anspruches und damit der reine Zeitablauf seit der Versöhnung konnte für sich genommen aber kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend auslösen, dass die Antragstellerin den Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Weitere Verhaltensweisen der Antragstellerin aus der nachfolgenden Zeit des gemeinsamen Zusammenlebens bis Juli 2020, die zur Begründung des Umstandsmomentes einer Verwirkung herangezogen werden könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.